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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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einhundert Verräter zu den Schweden übergelaufen. Einer davon ist Kirilin, der mit dir in Sibirien war, ein anderer dein Tatar.«
    »Bahadur? Unmöglich!« Sergej lachte kurz auf, sah aber an den Mienen des Zaren und Menschikows, dass es ihnen völlig ernst damit war. Energisch schüttelte er den Kopf. »Das kann ich nicht glauben!«
    »Der Tatar ist erkannt worden«, antwortete Menschikow »denn ersteckte in seiner heimischen Tracht und saß auf seinem auffälligen goldfarbenen Hengst. Es ist kein Zweifel möglich. Der von Seiner Majestät, dem Zaren, in seiner Gnade zum Fähnrich ernannte Bahadur Bahadurow ist desertiert.«
    »Aber gewiss nicht zu den Schweden!«, protestierte Sergej. »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er schwedische Soldaten getötet hat. Euer Majestät waren doch selber auf der Sankt Nikofem dabei. Bahadur hat Euch dort das Leben gerettet.«
    Seine Stimme klang so beschwörend und ehrlich, dass der Zar die Augenbrauen zusammenzog. »Es scheint dich nicht zu wundern, dass der Tatar sich in die Büsche gemacht hat?«
    »Nein, denn ich habe ihn während eines Streits so geschlagen, dass er geblutet hat, und daraufhin ist er beleidigt weggeritten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er zu den Schweden desertiert ist.« Sergej war anzuhören, dass er sich an die Hoffnung klammerte, die Vorwürfe gegen Bahadur würden sich als Irrtum herausstellen und der Tatar in den nächsten Stunden wieder auftauchen. Gewiss, er hatte den Jungen schwer gekränkt, aber das war bestimmt kein Grund für ihn, zu den Schweden überzulaufen, gegen die er so lange gekämpft hatte. Die eisige Miene das Zaren und Menschikows offenkundiges Bedauern machten jedoch deutlich, dass sie diesen Vorwurf nicht unbedacht geäußert hatten.
    Sergej wunderte sich nicht über Kirilins Desertieren zu den Schweden, denn der Hauptmann war ein schlechter Soldat und hatte bei Pjotr Alexejewitsch keine Chance, den Rang zu erreichen, den er in seinem Hochmut anstrebte. Doch wenn Kirilin der Anführer der Überläufer war, so klang es für ihn noch unwahrscheinlicher, dass Bahadur sich den Verrätern angeschlossen hatte, denn der junge Tatar verabscheute den aufgeblasenen Offizier. Das sagte Sergej auch sehr deutlich, doch Menschikow schüttelte nur mit einem traurigen Lächeln den Kopf.
    »Bahadur wurde zweifelsfrei in Kirilins Truppe gesehen!«
    Der Zar hieb wütend auf den Tisch. »Die Schurken haben einen BerittKosaken, der ihnen den Weg verlegen wollte, über den Haufen geschossen. Außerdem solltest du nicht so tun, als wüsstest du von nichts. Ich erhielt von Apraxin einen Bericht, dass du sehr wohl Verräter kennst, die mich stürzen wollen.«
    »Das war doch nur eine Kriegslist, mit der Bahadur und ich Lybecker verwirren wollten, um ihn von Sankt Petersburg wegzulocken«, antwortete Sergej ein wenig beleidigt, weil der Zar ihm für die Rettung seiner Stadt kein Lob ausgesprochen hatte.
    Pjotr Alexejewitsch wollte auffahren, doch Menschikow hob beschwichtigend die rechte Hand. »Verzeiht, Euer Majestät, aber lasst mich das Verhör weiterführen. Ich werde schon die Wahrheit aus diesem Burschen herausholen. Also Söhnchen, wie war das mit diesen Verrätern?«
    »Verräter würde ich sie nicht nennen. In meinen Augen sind es arme Narren, die dem alten Russland früherer Zeiten nachtrauern und nicht glauben wollen, dass unser Heer die Schweden besiegen kann. Aber das werden wir!« Das Letzte klang fast wie ein Hilfeschrei, denn Sergej wusste, dass er den weiteren Verlauf des Krieges in irgendeinem Verlies erleben würde, wenn der Zar ihn für schuldig hielt.
    Menschikow legte ihm die Hand schwer auf die Schulter und bleckte die Zähne zu einem freudlosen Lächeln. »Vielleicht sind es Narren, aber wir werden schon herausfinden, was du wirklich über diese Kerle denkst. Wache, bring Wodka, viel Wodka.« Der angesprochene Soldat salutierte und verschwand wie ein Blitz.
    Der Zar machte eine ärgerliche Handbewegung. »Mir ist heute nicht zum Saufen zumute.«
    »Ihr sollt ja auch nicht trinken, Euer Majestät, sondern unser Freund hier.« Menschikow nahm eines der Wassergläser, die auf dem Tisch standen, wischte es mit einem Tuch sauber und füllte es bis an den Rand aus dem Tonkrug, den ihm der Soldat brachte.
    »Trinke, Tarlow, auf die Gesundheit des Zaren!«, sagte er zu Sergej und drückte ihm das Glas in die Hand. Der Hauptmann gehorchteverwirrt, und bevor er sich versah, hatte Menschikow das Glas erneut gefüllt. »So, und

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