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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der Nähe des niedergebrannten Dorfes, bei dem er dem Zaren vorgeführt worden war. Die Zelte, die am Vortag hier gestanden hatten, waren abgebaut und die Soldatenwohl mit Menschikow oder dem Zaren weitergezogen. Auf den zweiten Blick erkannte er die Pferde seiner Leute, die am Waldrand grasten, wo die Weiden nicht mit mistgetränkten Zweigbüscheln niedergewalzt worden waren.
    Er blickte auf und sah in Wanjas besorgtes Gesicht. »Hast du Wasser, mit dem ich mir den Mund spülen kann?«
    Der Wachtmeister stieß einen halblauten Ruf aus, und sofort trat einer der Kalmücken mit einer ledernen Feldflasche zu ihnen. Das Wasser war warm und schmeckte so abgestanden, dass es Sergej erneut würgte, aber als er um frischeres bitten wollte, fiel ihm ein, dass die Brunnen hier ja auch schon verseucht worden waren.
    »Ich glaube, jetzt kann ich in den Sattel steigen!« Er stand auf, knickte sofort wieder ein und wurde von Wanja aufgefangen.
    »Glaubt Ihr wirklich, Ihr könnt Euch im Sattel halten?«
    Sergej stieß einen zustimmenden Laut aus, denn er musste seine ganze Kraft zusammennehmen, um einen Fuß vor den anderen zu setzen, doch er wollte sich nicht wie ein Gepäckstück mitschleppen lassen. Mit Wanjas Hilfe gelang es ihm, auf Moschka zu klettern, doch als der Wallach sich in Bewegung setzte, bereute er seinen Entschluss, denn er fühlte jeden Schritt des Pferdes wie einen Hammerschlag in Kopf und Magen, und ihm wurde sofort wieder übel. Trotz seiner schlechten Verfassung kreisten seine Gedanken um Bahadur, und er zerfraß sich innerlich vor Selbstvorwürfen. Er liebte den jungen Tataren mit einer schmerzhaften Intensität, und es war ihm, als habe er einen jüngeren Bruder oder seinen einzigen Sohn verloren. Ihm kamen die Tränen, so vermisste er den Jungen, und es fiel ihm schwer, daran zu denken, dass er ihn niemals mehr wieder sehen würde. Alles, was er noch tun konnte, war, alle Heiligen anzuflehen, Bahadur unbeschadet in seine Heimat zurückkehren zu lassen, denn nur in den Weiten Sibiriens würde er vor der Rache des Zaren sicher sein.

V.
    Im schwedischen Lager fiel es Schirin noch schwerer als sonst, ihr wahres Geschlecht zu verbergen, und da sie jeden Moment auf der Hut vor Entdeckung sein musste, wurde sie kein Opfer jener lähmenden und gleichzeitig aufreizenden Langeweile, die die anderen in ihren Klauen hielt. Kirilins Bitte, ihn und seine Männer wieder zu bewaffnen und ins schwedische Heer einzugliedern, war von dem König abschlägig beschieden worden. Daher saßen die Überläufer im Lager fest, während ständig weitere Einheiten aufbrachen, um die zurückweichenden Russen zu verfolgen. Noch lag der Dnjepr in seiner ganzen Breite zwischen den Schweden und ihrem Feind, doch der Tag, an dem Carl XII. den Fluss überqueren wollte, rückte näher und näher.
    Schirin war es inzwischen gelungen, ihr Schwedisch durch intensives Zuhören und Beobachten zu verbessern, und dabei hatte sie in Erfahrung gebracht, aus welchem Grund der König noch nicht mit seiner Hauptmacht vorrückte. Er wartete auf seinen General Lewenhaupt, der mit frischen Truppen und reichlich Nachschub zum Heer stoßen sollte, und dabei musste er zähneknirschend zusehen, wie die Russen die Zeit nützten, das Land in weitem Umkreis zu verwüsten.
    Die erzwungene Untätigkeit ließ die Spannungen zwischen Kirilins Russen und Ilgurs Sibiriern wachsen, und das hatte zur Folge, dass die ehemaligen Geiseln sich enger zusammenschlossen und auch Bahadur stärker in ihren Kreis aufnahmen. Ilgur behandelte den früher verachteten Tatarenprinzen nun wie einen engen Vertrauten, und wenn der schwedische Wodka, den man Aquavit nannte, in seinen Adern brannte, erzählte er ihm von seinen Träumen, die er sich mit Hilfe der Schweden erfüllen wollte.
    Schirin hörte geduldig zu und verbiss sich ihren Spott, denn die Schweden behandelten Ilgur nicht wie den Sohn eines Emirs, sondern ebenso wie Kirilin, Schischkin und die anderen Russen als lästige Kostgänger. Man gab ihnen zwar ausreichend zu essen, schnauzte sie aber an, wenn sie im Weg standen, und beachtete sie sonst weniger als den Dreck, der sich an die Stiefel heftete. Mehr als einmal wünschte Schirin sich, das Lager verlassen und den Weg nach Sibirien einschlagen zu können. Aber trotz der herablassenden Behandlung ließen die Schweden die ungeliebten Gäste nicht aus den Augen und scheuchten jeden zurück, der den ihnen zugewiesenen Teil des Lagers verlassen wollte.
    An einem Abend im frühen

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