Die Tatarin
streichelte er mit der rechten Hand den Kolben seines Karabiners. »Wollen wir den Kerlen ein kleines Geschenk hinterlassen?«
Sergej schüttelte den Kopf. »Nein, es sind zu viele. Außerdem ist die Botschaft, die wir dem Zaren zu überbringen haben, zu wichtig, um sie für ein paar weitere Kerben im Kolben zu riskieren. Aber keine Sorge, dein Donnerrohr wird noch oft genug knallen und Verrätern wie denen da hinter uns den Tod bringen.« Er benützte den Ausdruck, mit dem die Kalmücken die Karabiner und Musketen bezeichneten, da ihnen die russischen Worte zu schwer über die Lippen gingen.
Kitzaq grinste, zog seinen Karabiner und zielte im vollen Galopp nach hinten. Sein Schuss krachte, und der Kosak, der direkt neben Masepa ritt, warf die Arme hoch und stürzte aus dem Sattel. »Verflucht, ich habe gefehlt«, schimpfte der Tatar.
Raskin lachte verwundert auf. »Aber du hast doch getroffen.«
»Ja, aber nicht den, den ich treffen wollte«, gab Kitzaq schnaubend zurück und drückte seinem Pferd die Fersen in die Weichen, um nicht selbst von den aufholenden Gegnern beschossen zu werden. Sie hatten noch keinen Werst zurückgelegt, als sich der Himmel verfinsterte und es so heftig zu schneien begann, dass Sergej nur noch einen kleinen Teil seiner Leute im Auge behalten konnte. Aufklingende Stimmen und das Schnauben der Pferde bestätigten ihm jedoch, dass die Männer ihm folgten. Er behielt noch ein Stück die Richtung bei, in die sie die Flucht angetreten hatten, bis er sicher sein konnte, dass der Schneesturm sie den Blicken der Verfolger entzogen hatte, und schlug dann einen Haken. Die immer dichter wirbelnden Flocken waren seine Verbündeten, denn sie deckten die Hufspuren seiner Reiter zu, und so konnten sie nach einigen weiteren Richtungswechseln sicher sein, MasepasKosaken abgeschüttelt zu haben. Von dem Augenblick an ritten sie so zügig, wie die weiße Wand um sie herum es erlaubte, auf die Stelle zu, an der der nächste russische Vorposten zu finden sein musste. Sergej konnte es kaum abwarten, seinen Vorgesetzten Meldung zu erstatten, dennoch befahl er, die Tiere zu schonen, denn es bestand immer noch die Gefahr, auf verräterische Ukrainer oder schwärmende schwedische Dragoner zu treffen, und da war es gut, wenn die Pferde noch in der Lage waren, schnell und ausdauernd zu laufen.
XIV.
Sergejs Schar erreichte die eigenen Truppen bei Prudki an der Straße nach Smolensk und traf, wie er gehofft hatte, auf den Zaren, der sich dort mit seinen Generälen Menschikow und Repnin getroffen hatte. Als die Ankömmlinge von den Wachen gemeldet wurden, eilten die drei trotz des heftigen Schneefalls der Truppe entgegen.
»Und? Habt ihr diese verdammten Schweden gefunden?«, fragte der Zar, bevor Sergej auch nur salutieren konnte.
Der Hauptmann holte dies schnell nach. »Sehr wohl, Euer Majestät. Sie marschieren nach Süden und scheinen in der Ukraine überwintern zu wollen.«
Menschikow schnaubte verächtlich. »In der Ukraine? Was sollten sie sich dort erhoffen außer blutigen Nasen? Masepas Kosaken würden ihnen die Hölle heiß machen.«
»Genau das werden sie leider nicht tun«, antwortete Sergej und vergaß dabei ganz die Achtung, die er seinem höchsten Befehlshaber und gleichzeitig bestem Freund des Zaren schuldig war. »Masepa hat sich auf die Seite der Schweden geschlagen!«
»Unsinn! Das glaube ich nicht.« Pjotr Alexejewitschs Stimme enthielt eine unüberhörbare Drohung.
Sergej atmete kräftig durch. »Leider ist es die Wahrheit, Euer Majestät. Ich war nahe genug am schwedischen Heereszug, um den Hetman zweifelsfrei erkennen zu können. Es sind zwei- bis dreitausend Kosaken bei ihm, die ein wenig Fangen mit uns gespielt haben.«
Hätte er Pjotr Alexejewitsch vor allen Leuten eine schallende Ohrfeige gegeben, das beredte Schweigen hätte nicht schlimmer sein können. Für eine Weile waren nur die schweren Atemzüge des Zaren zu vernehmen, und Sergej sah, wie ihm vor Wut die Augen tränten. Schließlich wischte der Zar mit seinem Ärmel über das Gesichtund knirschte so erregt mit den Zähnen, dass es den Umstehenden kalt über den Rücken lief.
»Ich hätte auf die Leute hören sollen, die Masepa einen Verräter nannten, aber er hatte mir den Treueid auf die heilige Fahne der Ukrainer Kosaken geleistet, und daher habe ich ihm blind vertraut. Er wird noch bereuen, dass er seinen Schwur gebrochen hat. Jetzt ist mir klar, was Carl plant: Er will nach Bartulin ziehen, um sich mit dem Inhalt der
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