Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Magazine in Masepas Hauptstadt auszurüsten. Die Vorräte, die dort lagern, hat Masepa auf meinen Befehl mit meinem Gold und Waffen aus meinen Manufakturen angelegt. Nichts davon darf in die Hände der Schweden fallen. Menschikow!« Pjotr Alexejewitsch drehte sich so abrupt zu seinem Vertrauten um, dass er beinahe mit ihm zusammengestoßen wäre.
    »Aljuschka, trommle an Dragonern zusammen, was du nur auftreiben kannst, und stürme nach Süden. Du musst verhindern, dass sich die Kosaken der Ukraine und der Saporoger Stromschnellen Masepas Verrat anschließen, sonst ist Russland verloren.«
    Menschikow nickte verbissen. »Wenn ich es verhindern kann, werden keine weiteren Kosaken zu Masepa und dem zwölften Carl überlaufen. Erlaubt mir zu gehen, denn ich habe einiges zu tun.«
    »Ich wollte, du wärst schon verschwunden!« Trotz seiner kritischen Lage gelang es dem Zaren noch, sich ein wenig Humor zu bewahren.
    Er lächelte freudlos, nickte Sergej zu und klopfte ihm auf die Schulter. »Du machst dich gut, Tarlow! Ich bin froh, dass ich Menschikows Vorschlag gefolgt bin und dich nicht einen Kopf kürzer habe machen lassen. Jetzt besorge dir etwas zu essen, und ruhe dich ein wenig aus. Spätestens morgen früh wirst du mit Menschikow nach Süden reiten und die Ukraine für Russland retten.«
    »Ich reite mit Freuden!«, antwortete Sergej stolz. Aber als er Richtung Lagerküche stapfte, fragte er sich unwillkürlich, was an jenem Tag, an dem man ihn zuerst verhaftet und dann betrunken gemacht hatte, vorgefallen sein mochte.

SIEBTER TEIL

Poltawa

I.
    Schirin blickte zu der befestigten Stadt hinüber, die nun schon seit Wochen von den Schweden belagert wurde, und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob das sagenhafte Glück den bisher so siegreichen Carl XII. hier verlassen hatte. In den Magazinen hinter den Mauern dort drüben gab es all das, was die Schweden dringend benötigten, angefangen von Nahrungsmitteln über ausreichend Schießpulver bis hin zu Uniformstoffen und Stiefeln. Die russischen Verteidiger hatten sich jedoch bis jetzt erbittert gewehrt und alles getan, um die ihnen anvertrauten Kriegsgüter nicht in die Hände der Feinde fallen zu lassen. Gerade spie ein schwedisches Belagerungsgeschütz eine Kugel aus, und der matte Knall verriet auch den Belagerten, dass das wenige noch vorhandene Pulver den langen Winter nicht unbeschadet überstanden hatte. In Schirin ließ der Ton die Erinnerungen an das vergangene halbe Jahr hochquellen. Sie schüttelte sich und dankte auch an diesem Tag Allah und Sergejs Heiliger Jungfrau dafür, dass sie noch lebte.
    Zu Beginn des Winters hatten die Schweden noch geglaubt, in ein befreundetes Land zu kommen, in dem man sie als Verbündete begrüßen würde, doch das hatte sich als ein für viele Männer tödlicher Irrtum herausgestellt. Schirin erinnerte sich noch gut an das Entsetzen in den Augen der Generäle und das bittere Gesicht König Carls, als sie auf die rauchenden Trümmer von Masepas Hauptstadt Bartulin gestarrt hatten. Einwohner, die früh genug geflohen waren, um die Zerstörung zu überleben, hatten ihrem Hetman berichtet, dass Fürst Menschikow die Stadt überraschend mit einem großen Heer angegriffen hatte. Es war kaum Zeit zur Gegenwehr geblieben. Statt sich jedoch in Bartulin festzusetzen und es zu verteidigen, hatte der russische General seinen Leuten befohlen, alles mitzunehmen, was sie transportieren konnten, und den Rest in Brand zu stecken. Die Soldatenhatten seinen Befehl mit jener Gründlichkeit befolgt, die ihr Zar sie gelehrt hatte, und waren wenige Stunden vor Erscheinen der Schweden abmarschiert. Trotz seiner Wut hatte Carl seinen Generälen verboten, die Russen zu verfolgen, denn deren Reitertruppen waren beweglicher als seine Kavallerie, und er wollte sein Heer nicht auseinander ziehen und einen Teil davon in einer sinnlosen Verfolgungsjagd opfern.
    Hatte dieser Schachzug der Russen zunächst nur wie ein kurzer Rückschlag ausgesehen, so entwickelten sich die nächsten Wochen und Monate zu einem nicht enden wollenden Albtraum. Der Winter wurde ungewöhnlich hart, und Schirin musste den wärmenden Mantel, den sie sich früh genug besorgt hatte, einige Male mit Säbel und Pistole verteidigen und dabei zwei Männer töten, einen Schweden und einen von Kirilins Begleitern.
    Da die Vorräte der Schweden schon vor dem Marsch in die Ukraine fast aufgebraucht gewesen waren, herrschte im Lager bald blanke Not, und es wurde alles gegessen, was nur entfernt

Weitere Kostenlose Bücher