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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Bestrebungen.«

IV.
    Am fünften Tag hielt Schirin es nicht mehr aus. Sie klopfte gegen die Tür, und als der Wachtposten öffnete, baute sie sich vor ihm auf und blickte ihn fordernd an. »Ich muss mit Väterchen Sergej Wassiljewitsch Tarlow sprechen!«
    Der Soldat kniff die Augenlider zusammen und überlegte sichtlich angestrengt. Ihm war befohlen worden, den Geiseln nur die tägliche Bewegung im Hof und den Gang zum Abtritt zu gestatten. Doch keiner seiner Vorgesetzten hatte ihm erklärt, wie er auf den Wunsch einer Geisel reagieren sollte, die einen Offizier sprechen wollte. Er konnte nun so tun, als hätte er nichts gehört, und diesen Tataren wieder in den Raum zurückschicken. Doch falls die Nachricht dieses Knaben wichtig war, würde er den Hauptmann verärgern und Schläge bekommen.
    »Ich werde dem Väterchen Hauptmann Bescheid geben. Das ist jedoch erst nach dem Wachwechsel möglich«, antwortete er ausweichend. Wenn dem Hauptmann nicht passte, was der Tatar zu sagen hatte, würde dieser die Prügel erhalten, und das war ihm lieber, als sich seinen eigenen Rücken gerben lassen zu müssen.
    Schirin begriff, dass sie mehr nicht erreichen konnte, und wollte sich schon zurückziehen. Da sie aber die Macht kennen gelernt hatte, die ein Kopekenstück auf einfache Leute ausübte, öffnete sie die Börse, die von einer Kaftanfalte verdeckt am Gürtel befestigt war, und suchte eine kleine Münze heraus. »Hier, für deine Bemühungen!«, sagte sie und steckte das Geld dem Soldaten zu. Das Gesicht des Mannes hellte sich auf, und für einen Augenblick überlegte er, seinen Posten zu verlassen und Sergej sofort aufzusuchen. Doch wenn der Unteroffizier sein Fehlen bemerkte, würde es auf jeden Fall Prügel geben, und so verschob er den Gang bis nach der Ablösung.
    Schirin hatte nicht bemerkt, dass Ilgur ihr gefolgt war, um zu sehen, was Bahadur mit der Wache zu verhandeln hatte. Durch den Türspalt sah er, wie eine Münze den Besitzer wechselte, und stellte gleichzeitig fest, dass Bahadurs Börse gut gefüllt war. Er selbst und der Rest der Geiseln hatten das wenige Geld, das sie bei sich hatten, längst für Wodka ausgegeben und saßen nun auf dem Trockenen. Dabei war Alkohol die einzige Möglichkeit, die Öde und Langeweile der Gefangenschaft zu überstehen, und jetzt sah er eine Gelegenheit, den versiegten Strom erneut zum Fließen zu bringen. Er wartete, bis Bahadur wieder im Raum war, und wandte sich dann auffordernd an seine engsten Gefährten.
    »Haben wir uns nicht geschworen, während unserer Gefangenschaft alles zu teilen, vom Kebab angefangen bis hin zum Wodka und unserem Geld?«
    Die anderen starrten ihn zunächst verwirrt an, folgten dann seinem Seitenblick auf Bahadur und begriffen, auf was er hinauswollte. »Du hast Recht, Ilgur, wir haben alles brüderlich miteinander geteilt.«
    »Wir schon, aber einen gibt es, der das Gesetz der Steppe missachtet und sein Geld versteckt hält, während wir dürsten und hungern müssen«, stichelte Ilgur weiter.
    »Vor allem dürsten!« Jemeq, einer seiner engsten Vertrauten, trat auf Schirin zu und gab ihr einen Stoß gegen die Schulter. »Hast du gehört, Bahadur? Wenn du Geld hast, gehört es auch uns. Also rück es raus, und du darfst in der nächsten Zeit als Erster an der Wodkaflasche trinken.« Schallendes Gelächter antwortete ihm, da jeder wusste, wie sehr Bahadur den Schnaps verabscheute.
    Schirin sah in die gierigen Gesichter ihrer Mitgefangenen und verfluchte sich wegen ihrer Unvorsichtigkeit. Etwas in ihr riet ihr, die Geldbörse unter dem Hosenbund hervorzuziehen und sie dem Kerl vor die Füße zu werfen. Gleichzeitig bäumte sich ihr Stolz dagegen auf. Wenn sie nachgab, würden die anderen sie in Zukunft wie einen Sklaven behandeln. Nie zuvor hatte sie sich so nach Waffen gesehntwie jetzt, denn sie würde sich mit blanken Händen verteidigen müssen. Mit den Fäusten, verbesserte sie sich in Gedanken und schob die Gefahr, als Mädchen erkannt zu werden, weit von sich. Jetzt hatte sie eine gewisse Chance, sich Respekt zu verschaffen.
    »Wenn du Geld brauchen würdest, um dir ein Pferd zu kaufen oder einen neuen Kaftan, ließe ich mit mir reden. Doch für Wodka gebe ich nichts her!« Sie hoffte, dass man ihr die Angst nicht ansah, und machte sich zum Kampf bereit.
    »Worauf wartest du noch, Jemeq?«, stachelte Ilgur seinen Getreuen an. Der Bursche griff mit einem überheblichen Lächeln nach Bahadurs Gürtel und sackte im nächsten Moment mit einem

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