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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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keuchenden Laut zu Boden, denn das Knie seines Opfers hatte ihn zwischen den Beinen getroffen.
    Schirin wich bis in eine Ecke des Raumes zurück, um sich den Rücken freizuhalten, und ballte die Fäuste. Ihr Gesicht war weiß wie frisch gefallener Schnee, doch in ihren Augen glühte ein wildes Feuer.
    Ilgur verschluckte einen Fluch und gab zwei anderen Burschen einen Stoß. »Was ist, Freunde? Wollt ihr Wodka haben oder nicht?« Diese Frage entschied alles. Sieben, acht Männer kamen auf Schirin zu und wollten sie packen, aber sie hätten ebenso gut nach einer wütenden Katze greifen können. Sie schlug um sich und wehrte die Hände der Angreifer ab, die sich in ihrem Eifer gegenseitig behinderten, und gab auch nicht auf, als man sie in die Zange nahm und in die Mitte des Raumes schleifte, sondern setzte Fingernägel und Füße und schließlich auch ihre Zähne ein. Dabei riss sie einem der Kerle die Wange auf, so dass ihm das Blut bis in den Kragen lief. Der Mann warf sich mit einem erschrockenen Aufschrei zurück und rempelte einen Zweiten an, der sein Opfer ebenfalls loslassen musste und sich dafür mit einem derben Stoß gegen den Verursacher revanchierte. Der Gebissene reagierte mit einer Ohrfeige, und sofort hatten beide Bahadur vergessen und schlugen aufeinander ein. Da ihnen ihre persönlichen Freunde zur Hilfe kamen, war in kurzer Zeit eine wilde Rauferei im Gange.
    Zwei Männer beteiligten sich nicht an dem Gerangel, sondern versuchten, die anderen zur Vernunft zu bringen, während Ostap sich auf Bahadurs Seite schlug und seine Angreifer in die Kniekehlen trat, um seinen großen Freund zu verteidigen. Schirin sah aus dem Augenwinkel, wie der Knecht, der Ostap von seinem Stamm mitgegeben worden war, den Jungen wegzerrte und auf ihn einprügelte. Auch ihn hatte die Gier nach Wodka jedes Pflichtgefühl gegenüber dem ihm anvertrauten Jungen vergessen lassen. Allerdings hatte er sich schon während der Reise kaum um Ostap gekümmert, daher wunderte seine Haltung Schirin nicht. Doch sie konnte dem Kleinen nicht helfen, denn einer der anderen Angreifer nahm sie in den Schwitzkasten, und während zwei weitere ihre Beine festhielten, griff Ilgur nach ihrer Geldbörse, öffnete die Schnalle, mit der sie befestigt war, und wollte die kleine Ledertasche einstecken.
    In dem Moment sprang die Tür auf, und der Wachposten blickte herein. »Aufhören!«, brüllte er und schlug die Waffe an. Sein Geschrei alarmierte die anderen Wachen, schon wenige Herzschläge später drang eine Gruppe Soldaten herein und trieb die Kämpfenden auseinander. Ilgur erhielt einen heftigen Kolbenstoß in den Rücken, so dass er Schirins Börse fallen ließ, und als er sich danach bücken wollte, starrte er auf das Bajonett, das ein Soldat ihm unter die Nase hielt.
    »Schön brav sein, Tatar, sonst schlitze ich dir den Bauch auf, damit du deine Eingeweide zählen kannst!«, sagte der Russe grinsend.
    Sergej hatte von dem Aufruhr erfahren und war sofort losgerannt, um das Schlimmste zu verhindern, doch als er das Quartier der Geiseln erreichte, war schon alles vorbei. Die Sibirier sahen teilweise so aus, als hätten sie sich auf einen Ringkampf mit einem Bären eingelassen. Der Mann, den Schirin gebissen hatte, hielt sich die blutende Wange und funkelte Bahadur so wild an, als würde er ihn am liebsten erwürgen, Ilgur knirschte vor Wut mit den Zähnen, und Ostap verfluchte seinen verräterischen Knecht.
    »Ruhe!«, brüllte Sergej, und einige der Soldaten bekräftigten diese Aufforderung sofort mit Kolbenstößen.
    Der Hauptmann sah sich mit grimmiger Miene um und zeigte auf Ostap. »Du da! Berichte, was hier geschehen ist!«
    »Ilgur und Jemeq wollten Bahadur sein Geld wegnehmen, um sich dafür Wodka kaufen zu können«, antwortete der Junge und kämpfte dabei sichtlich gegen die aufsteigenden Tränen.
    Sergej warf den beiden Beschuldigten einen spöttischen Blick zu. »Ein Steppenräuber bleibt wohl immer ein Steppenräuber und plündert, wenn er kein anderes Opfer findet, seine eigenen Schicksalsgefährten aus. Seid froh, dass ich euch nicht krumm schließen lasse. Verdient hättet ihr es!«
    Er wandte sich an Wanja, der in der Tür stand und drohend mit der Peitsche wippte. »Sorge dafür, dass Bahadur und der Junge hier ein anderes Quartier erhalten, sonst kommt es noch zu Mord und Totschlag. Wie es aussieht, lässt sich unser kleiner Tatarenprinz nicht viel gefallen.« Seine Worte verrieten eine widerwillige Anerkennung.
    »Bahadur ist

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