Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
und er ließ den Arm sinken. »Ich kann verstehen, dass es euch ohne Wodka hier langweilig wird. Aber dem kann man abhelfen. He, Wache, hole ein paar Flaschen aus den Vorratskellern des Palasts. Immerhin sind unsere sibirischen Freunde Gäste des Zaren und sollen alles bekommen, was sie brauchen.«
    Jemeq jubelte auf und stieß Ilgur an. »Na, was sagst du dazu? Wodka auf Befehl des Zaren! Da werde ich glatt noch zum Russen.«
    Ilgur war klar, dass sein Freund das nur im Spaß sagte, ihm selbst aber war es damit vollkommen ernst, und er versuchte, den Blick des Offiziers auf sich zu lenken. Kirilin bemerkte, wie es in dem gar nicht so undurchdringlichen Gesicht des Asiaten arbeitete, und musste grinsen. In ein paar Tagen würden die Geiseln vor den Großfürsten Alexej gebracht werden, und da war es von Vorteil, wenn ihr Anführer ihn, Kirilin, als großen Krieger pries und nicht den Sohn eines Ofenheizers.

V.
    Der Wind peitschte um Schirins Kopf und ließ sie hell aufjubeln. Zum ersten Mal, seit sie den Russen als Geisel übergeben worden war, fühlte sie sich halbwegs glücklich. Der Ritt war herrlich, auch wenn Goldfell durch die Untätigkeit der letzten Tage übermütig geworden war und sie alle Kraft aufwenden musste, um ihn unter Kontrolle zu halten. Die Prügelei mit den anderen Geiseln lag nur vierundzwanzig Stunden zurück, aber außer einer Menge Prellungen und Abschürfungen hatte sie nichts zurückbehalten, noch nicht einmal blau unterlaufene Augen. Wanja hatte ihr berichtet, dass es ihren Gegnern um einiges schlechter ging, wohl weil die Kerle sich in ihrem Übereifer gegenseitig Blessuren zugefügt hatten. Dennoch war der Wachtmeister der Meinung, dass sich keiner der anderen noch einmal mit Bahadur anlegen würde. Schirin hatte Wanja freundlich zugehört, innerlich aber den Kopf geschüttelt. Wären die Geiseln Russen, würden sie höchstwahrscheinlich feige vor ihr davonrennen, aber die Männer der Steppe waren rachsüchtig und würden ihr schaden, wo sie nur konnten. Daher würde sie noch stärker als bisher auf der Hut sein müssen, dennoch bedauerte sie es nicht, sich gegen Ilgur und dessen Kumpane zur Wehr gesetzt zu haben.
    Ein schriller Pfiff riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte sich um und sah Sergejs Braunen weit hinter sich. Von Wanja und dessen Pferd war bereits nichts mehr zu sehen. Jetzt wäre es ihr ein Leichtes gewesen, ihren Begleitern zu entkommen. Aber sie tat es nicht. Ihre Chancen, den Weg nach Hause zu finden, waren äußerst gering, und ihr war nur allzu klar, dass man sie als Flüchtling bei ihrem Stamm nicht willkommen heißen würde. Auch ließ ihre Ehre es nicht zu, Sergej zu enttäuschen und ihn in Schwierigkeiten zu bringen,denn ihm hatte sie diesen herrlichen Ausritt zu verdanken. Er war ein großes Risiko eingegangen, da er für sie und die anderen Geiseln verantwortlich war und hart bestraft werden würde, wenn er ohne sie nach Moskau zurückkehrte. Vor ein paar Tagen noch hätte sie ihm dieses Schicksal von Herzen gegönnt, aber nun wollte sie seine Großzügigkeit nicht mit Verrat vergelten.
    Sie wartete, bis der Russe aufgeschlossen hatte, und ließ Goldfell an der Seite seines Braunen traben. Während ihr Hengst nicht einmal schneller atmete, glänzten Moschkas Flanken vor Schweiß, und Schaumflocken stoben von seinem Maul. Dabei war es kein langsames Tier, und etliche junge Burschen aus ihrem Stamm hätten versucht, in seinen Besitz zu gelangen.
    Sergej wirkte erleichtert, versuchte aber, es zu verbergen. »Dein Hengst ist das schnellste Pferd, das ich je gesehen habe.«
    Schirin klopfte ihrem Tier liebevoll den Hals. »Goldfell ist ein wunderbares Geschöpf. Er liebt einen schnellen Ritt und hätte gewiss noch viele Werst weiter laufen können, ohne langsamer zu werden.«
    »Das glaube ich gerne. Ich kenne meinen Moschka und weiß, dass er mit den meisten anderen Pferden mithalten kann, aber gegen Goldfell ist er chancenlos. Sag mal, warum hast du die Gelegenheit nicht zur Flucht genutzt?« In Sergejs Stimme schwang noch ein Nachhall seiner Angst.
    Schirin schob die Unterlippe vor. »Es ist das Gesetz der Steppe, Wohltaten zu erwidern.«
    »Dieses Gesetz muss neu oder eben erst deinem Kopf entsprungen sein. Ich habe dich für einen Ehrenmann gehalten, Bahadur, und freue mich, dass du mir diesen Glauben heute bestätigt hast. Für deine Gefährten hätte ich die Hand nicht ins Feuer gelegt!« Sergej streckte Bahadur die Rechte hin.
    Schirin sah ihn einen

Weitere Kostenlose Bücher