Die Tatarin
zerrieben zu werden.
Der Zar stand auf und ließ eine neue Runde Wodka verteilen. Zu Schirins Entsetzen war ihre Flasche leer, und Pjotr Alexejewitsch schenkte ihr aus seiner nach. Marfa Alexejewna hatte es bemerkt und reichte ihr schnell das eigene Glas. Mit einem sanften Lächeln lauschte sie dem Trinkspruch und führte den Wodka aus der Flasche des Zaren an ihre Lippen.
»Du kannst das meine ohne Sorge trinken, Söhnchen«, raunte sie Bahadur noch zu, ehe sie den scharfen Schnaps mit einem fast schmerzhaften Stöhnen die Kehle hinunterrinnen ließ.
Schirin gehorchte unwillkürlich und entdeckte, dass ihre Nachbarin bisher ebenfalls nur Wasser getrunken hatte.
»Ich hoffe, es bleibt das einzige Glas aus der Flasche des Zaren«, keuchte Marfa Alexejewna. Dann stand sie auf, nahm Bahadurs Flasche und ihre eigene und eilte damit aus dem Raum.
Der Zar sah ihr verärgert nach. »Warum läuft sie selbst? Die Diener hätten neue Flaschen reichen können!«
Jekaterina legte ihm mit einem munteren Auflachen die Hand auf den Arm. »Diesen Wodka muss die gute Marfa schon selber holen. Du weißt doch, dass sie wegen ihres kranken Magens nur ihre eigene Sorte verträgt.«
Pjotr Alexejewitsch nickte unwillkürlich. »Aber unser junger tatarischer Held hat schon auf See bewiesen, dass er einen kräftigen Magen besitzt.«
»Dem tut Marfas Wodka gewiss besser als deiner. Er ist noch sehr jung und, wie du gestern selbst gesehen hast, nicht gewohnt, viel zu trinken. Willst du ihn als Dank für deine Rettung damit belohnen, dass du ihn zwingst, sich in der Nacht im eigenen Kot zu wälzen?« Jekaterinas Stimme klang sanft, doch es lag eine beinahe magische Macht in ihr, die Schirin unheimlich war.
Der Zar blickte seine Favoritin liebevoll an und lachte schallend auf. »Du bist mir schon ein Weibsstück, Katinka. Ich sollte dich heute Nacht verprügeln, bis du so laut schreist, dass man es in ganz Sankt Petersburg hören kann.«
»Wenn du dafür einen ganz bestimmten Knüppel nimmst, habe ich nichts dagegen!« Jekaterina ließ ihren Blick aufreizend über seinen Unterleib wandern und lehnte sich dabei so geschickt vor, dass Pjotr Alexejewitsch tief in ihr Dekolleté schauen konnte. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, und er griff ihr mit der Rechten zwischen die Brüste.
»Ich will verdammt sein, wenn ich es nicht gleich tue. Leute, feiert jetzt ohne uns weiter! Katinka und ich haben noch etwas vor. Ich hoffe, Menschikows Schlafzimmer ist mittlerweile fertig. Sonst müsste ich schon wieder die Mägde aus ihrer Kammer jagen.« Er stand auf, fasste Jekaterinas Hand und zog die kichernde Frau mit sich.
»So ist er, unser Zar! Er greift stets zu, wenn ihm danach ist«, erklärte Fürst Apraxin mit trunkener Anerkennung. Wie sein Herr hatte er dem Alkohol stark zugesprochen, vertrug ihn aber bei weitem nicht so gut und war nicht mehr in der Lage, gerade auf seinem Stuhl zu sitzen. Jetzt tastete er mit der Hand nach seinem Weinglas, stieß es um, statt es zu packen, und starrte trübselig auf den roten Fleck, der sich auf der Tischdecke ausbreitete. »Schade um den schönen Wein! Ich hätte doch beim Wodka bleiben sollen«, murmelte er und bediente sich, da die eigene Flasche leer war, aus der des Zaren.
Schirin fühlte sich inmitten der Betrunkenen immer unbehaglicher. Um sie herum sanken die Gäste vom Alkohol übermannt nieder, schliefen mit den Köpfen auf dem Tisch ein oder rutschten vom Stuhl, ohne noch einmal aufzuwachen, und begannen unter dem Tisch zu schnarchen. Der Zarewitsch hatte dem Wodka mindestens ebenso stark zugesprochen wie der Zar, obwohl er später gekommen war, und prophezeite nun mit lallender Stimme, dass sein Vaterden Schweden kein weiteres Mal mehr so glücklich entkommen würde wie an diesem Tag.
»Bitte schweigt, Euer Hoheit!«, flehte sein Beichtvater ihn an. Auch ihn hatte der Alkohol schon halb überwältigt, aber die Drohung des Zaren, ihn ins Meer werfen zu lassen, schien ihn noch immer zu ängstigen. Pjotr Alexejewitsch war dafür bekannt, seine Ideen sehr oft und sehr rasch in die Tat umzusetzen, daher beschloss Ignatjew, sich trotz der noch halb vollen Wodkaflasche, die vor ihm stand, zurückzuziehen. Nach ein paar Schritten blieb er jedoch stehen, drehte sich mit einem sehnsüchtigen Blick zu der Flasche um und befahl einem Diener, sie hinter ihm herzutragen.
»Ich muss noch für den Sieg des Zaren beten, und das kann ich nur besoffen tun!« Entsetzt über die eigenen Worte schlug er
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