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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Betten gestellt wurden, so wie sie es unterwegs schon einmal erlebt hatte. Schirin stand auf und sah sich suchend um, entdeckte aber nichts. So zog sie ihre Stiefel an, schlich aus dem Zimmer und machte sich auf die Suche. Es dauerte eine Weile, bis sie den gesuchten Ort fand. Er bestand aus einer hölzernen Bank mit mehreren in sie hineingeschnittenen Löchern, die weder durch Wände getrennt waren noch Türen besaßen. Schirin hoffte, nicht lange in diesem Haus wohnen zu müssen, denn hier würde es ihr nicht möglich sein, das getrocknete Moos zu wechseln, das sie für ihre Mondtage benutzte, geschweige denn, sich richtig sauber zu halten.
    Auf dem Rückweg entdeckte sie die Küche und wies eine Magd an, ihr einen Eimer Wasser nach oben zu bringen. Das Mädchen trug das Gefäß gehorsam vor ihr her und schwang dabei so herausfordernd die Hüften, dass sie einen jungen Mann damit gereizt hätte. Schirin aber kräuselte verächtlich die Lippen. Die Tugend der russischen Frauen schien nur ein paar Kopeken wert zu sein. Zur Enttäuschung der Magd schickte sie das Mädchen an der Schlafzimmertür weg, nahm den Eimer und trug ihn in eine leer stehende Kammer, die sie auf dem Weg nach unten entdeckt hatte. Drinnenklemmte sie einen Besen unter die Klinke, so dass sie sich ungestört ausziehen und waschen konnte.
    Sie hatte immer noch Reste von Blut auf den Händen und im Gesicht, und anders als bei ihrem regelmäßigen Blutfluss schüttelte sie sich vor Ekel. Während sie sich wusch, tauchte die Erinnerung an den Kampf auf der Sankt Nikofem auf und mit ihr die Gesichter der Toten. Dabei klopfte ihr Herz zum Zerspringen, so als stecke sie noch mitten in der Schlacht. Um die Bilder zu verscheuchen und ihre Gedanken in eine andere Richtung zu zwingen, rechnete sie aus, an welchem Tag sie sich spätestens trockenes Moos oder ein anderes saugfähiges Material für ihre Mondzeit besorgen musste. Sie benötigte so viel Zeit für ihre Körperpflege und den nicht sehr erfolgreichen Versuch, ihre Kleidung zu reinigen, dass die anderen schon wach waren, als sie in das Schlafzimmer zurückkehrte.
    Sergej stand völlig nackt mitten im Raum und ließ sich von Wanja den Rücken abschrubben, und Schirin spürte den Wunsch, um ihn herumzugehen und ihn wie damals im Bad von vorne zu sehen. Sofort schob sie diesen Gedanken weit von sich und schämte sich für sich selbst; gleichzeitig ärgerte sie sich, weil sie vergessen hatte, ihr letztes frisches Hemd aus ihrem Packen hinter der Tür zu holen und mit in die Kammer zu nehmen. Wenn sie es jetzt herauskramte und damit das Zimmer verließ, würde das nur unnötige Fragen nach sich ziehen. Daher begnügte sie sich damit, die Flecken auf ihrer Kleidung noch einmal mit einem Lappen zu bearbeiten, und wandte sich dann mit leicht hochmütiger Miene an Sergej, der zu ihrer Erleichterung inzwischen Hemd und Hose angezogen hatte. »Will man uns hier verhungern lassen?«
    Bevor Sergej antworten konnte, wurde die Tür geöffnet, und die Magd schaute herein. »Ich soll den Herren sagen, dass das Essen bereitsteht!«
    »Wenn es sich um Schweinernes handelt, werfe ich es zum Fenster hinaus!«, drohte Schirin.
    Sergej lachte fröhlich auf. »Durch die geschlossene Scheibe?«
    Seit dem gestrigen Tag war der junge Tatar für ihn keine Geisel mehr, auf die er Acht geben musste, sondern ein Kamerad, auf den man sich verlassen konnte. Bahadur war ein geschickter Kämpfer, auch wenn es ihm noch an Übung und vor allen Dingen an Kraft fehlte. Aber der Junge hatte es fertig gebracht, den Zaren vor einem unrühmlichen Ende zu bewahren, und Russland damit einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Sie beide waren am Vorabend hoch geehrt worden, und das war gewiss kein Schaden für ihr jeweiliges Fortkommen. Ein Offizier ohne einflussreiche Familie musste nun einmal hoch gestellte Personen auf sich aufmerksam machen, um aufsteigen zu können. Die Tatsache, dachte Sergej seufzend, dass sein Vater einer der Spielkameraden des jungen Pjotr Alexejewitsch in Preobraschenskoje gewesen war, nützte ihm persönlich nichts. Er würde weiterhin Taten sprechen lassen müssen, und das galt auch für Bahadur, der nach den gestrigen Geschehnissen ein hoch geachteter Gast des Zaren war und demnächst wohl ein Angehöriger der russischen Armee. Dieser Gedanke brachte Sergej auf eine Idee. Er ging in die Ecke, in der die Diener gestern Nacht sein Gepäck abgestellt hatten, suchte Bahadurs Säbel und seinen Dolch heraus und reichte sie

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