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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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waren die schlichte, aber geräumige Kutsche des Zaren, ein kleineres Gefährt für die Damen und mehrere Fuhrwerke für das Gepäck. Der Zar selbst stand mit einem Fuß auf dem Trittbrett seiner Kutsche und redete heftig auf Fürst Apraxin ein. Als Schirin näher trat, nickte der Zar Apraxin abschließend zu und wischte sich dann mit einer fahrigen Bewegung über die Stirn.
    »Die Umstände zwingen mich, Sankt Petersburg früher zu verlassen als geplant. Vorher will ich aber noch meine letzten Befehle erteilen. Wo sind die übrigen Sibirier?«
    Leutnant Pribjew trat vor und nahm Haltung an. »Hauptmann Kirilin ist bereits mit ihnen unterwegs.«
    »Er soll sich gefälligst beeilen!«
    Die Stimme des Zaren klang so verärgert, dass Wanja Sergej grinsend anstieß. »Kirilin macht sich bei Väterchen Pjotr Alexejewitsch unbeliebt.«
    Sergej winkte ihm zu schweigen, denn der Zar trat eben auf ihn zu. »Hauptmann Tarlow, Oberst Mendartschuk äußerte sich lobend über deine Fähigkeiten, mit Kosaken und Sibiriern umzugehen. Du wirst daher nicht zu deinem Regiment zurückkehren, sondern Apraxin direkt unterstellt und erhältst das Kommando über eine Schar Steppenreiter, die ich hierher schicken werde. Dein Wachtmeister kann bei dir bleiben.«
    Sergej salutierte stumm, obwohl er am liebsten vor Zorn laut aufgeschrien hätte. Was sollte er mit einigen Dutzend Steppenräubernanfangen? Mit einer solchen Truppe würde er niemals gegen die Schweden anreiten und ihnen das Trauma von Narwa zurückzahlen können. Doch der Zar war der Zar, und allein sein Wort besaß in Russland Gewicht.
    Pjotr Alexejewitsch schenkte Sergejs enttäuschter Miene keinen Blick, sondern winkte Ostap zu sich und zerzauste ihm den dunklen Schopf. »Du hast dich beim Kampf um die Sankt Nikofem tapferer geschlagen als mancher Erwachsener. Daher kommst du zur Marine. Wenn du die Befehle deiner Vorgesetzten befolgst und gut lernst, wirst du bald die Uniform eines Maats oder sogar Fähnrichs tragen.«
    Ostap gefiel diese Entscheidung nicht, doch ebenso wie Sergej verkniff er sich jedes Widerwort. In der Steppe geboren, begriff er die wogende See als Feind, den er nun würde bezwingen müssen.
    Dann sah Schirin, wie das Auge des Zaren sich auf sie richtete und sie von Kopf bis Fuß musterte. Doch ehe er über sie entscheiden konnte, tauchte die Fähre mit den restlichen Geiseln auf und lenkte ihn ab.
    Kirilin, der am Bug stand, bemerkte den ungehaltenen Blick, mit dem der Zar ihn und seine Gruppe bedachte, und fluchte innerlich. Er hatte sich abgehetzt, um die Geiseln pünktlich zur befohlenen Stelle zu bringen, doch mit dem Tempo, das Pjotr Alexejewitsch von seinen Untertanen erwartete, konnte kein vernünftiger Mann mithalten. So klammerte er sich in Gedanken an den Zarewitsch, der seine Dienste besser zu würdigen wusste als sein Vater, und fand zu seiner inneren Ruhe zurück.
    Kaum hatte der Prahm das Ufer berührt, sprang er ab und nahm vor dem Zaren Haltung an.
    »Wie befohlen, habe ich die sibirischen Geiseln gebracht, Euer Majestät.«
    »Das wurde auch Zeit!« Pjotr Alexejewitsch drehte Kirilin immer noch verärgert den Rücken zu und legte Bahadur die Hand auf die Schulter. »Ich glaube, die Marine wäre auch für dich das Richtige.Du hast einen kühlen Kopf auf den Schultern und wirst gewiss bald dein eigenes Schiff befehligen.«
    Es war der Augenblick, den Schirin herbeigesehnt hatte. Sie war bewaffnet, stand direkt vor dem Zaren, und wenn sie jetzt den Dolch zog, war Pjotr Alexejewitsch tot, bevor einer seiner Leute eingreifen konnte. Doch ihre Hände waren wie gelähmt. Sie hörte seine Worte, ohne sie richtig zu verstehen, und schämte sich ihrer Schwäche.
    Sergej sah die Abwehr in Bahadurs Augen und seine schmerzvolle Miene und glaubte zu verstehen, was den jungen Tataren bewegte. In dem Moment wagte er etwas, das sich in den vergangenen Jahrhunderten nur selten jemand in Russland getraut hatte: Er widersprach dem Zaren. »Verzeiht, Euer Majestät. Gewiss ist Bahadur überwältigt von Eurer Gnade, doch bezweifle ich, dass er sich von seinem Hengst trennen möchte, wie er es als Marineoffizier tun müsste.«
    Der Kopf des Zaren ruckte herum, und er öffnete den Mund zu einer gewiss niederschmetternden Antwort. Dann aber griff er sich an die Stirn und lachte. »Von diesem Hengst habe ich auch schon gehört. Es soll ein herrliches Tier sein, das wir unbedingt für die Zucht gewinnen müssen. Apraxin, sorge dafür, dass die besten Stuten für den

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