Die Tatarin
Wodkagläser austeilte.
»Kommt Kameraden, trinken wir auf die Gesundheit meines altenHerrn! Mein Vater wünscht nämlich nicht, dass unsere Vorräte an Schnaps, Wein und Lebensmitteln den Schweden in die Hände fallen.«
»Dazu müssten sie Sankt Petersburg erst einnehmen, aber das werden wir zu verhindern wissen«, antwortete Sergej mit einem Lachen, dem jeder Humor fehlte.
Stepan wusste so gut wie alle anderen, dass die Schweden Sergejs Albtraum waren. »Darauf wollen wir ganz besonders trinken, alter Haudegen!« Er drückte Sergej persönlich ein Glas Wodka in die Hand und stieß mit ihm an. »Auf die Prügel, die wir den Schweden verabreichen werden!«
»Auf den Sieg!« Sergej trank das Glas in einem Zug leer und schleuderte es mit aller Wucht gegen die Wand.
»Auf welchen Sieg? Auf den der Schweden?« Kirilin war unbemerkt zu ihnen getreten und musterte Sergej mit unverhohlenem Spott.
Da der Zarewitsch sich noch in Sankt Petersburg aufhielt, tauchten die Offiziere aus seinem Gefolge bei allen gesellschaftlichen Ereignissen auf – sehr zum Leidwesen der Übrigen, denn die Arroganz, die Lopuchin, Kirilin, Schischkin und andere Gardisten an den Tag legten, und deren defätistische Äußerungen verdarben den ansonsten recht übermütigen Verteidigern von Sankt Petersburg jede gemütliche Runde.
Sergejs Hand glitt unwillkürlich zum Säbel, denn es juckte ihm in den Fingern, den Gardehauptmann endlich einmal zurechtzustutzen, und Kirilin stellte sich unwillkürlich in Position. Es bedurfte nur noch eines kleinen Funkens, um den schwelenden Streit zwischen den beiden Offizieren zur Entladung zu bringen. Stepan Raskin war sich dessen bewusst und versuchte, der Sache die Spitze zu nehmen. »Wir trinken nur auf unsere Siege, Oleg Fjodorowitsch! Sollen die Schweden gefälligst selbst auf die ihren trinken.«
Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite. Kirilin, dem von Gjorowzew vor dessen Abreise eingeschärft worden war, nichts zu unternehmen,was Verdacht erregen könnte, stimmte etwas misstönend in das Gelächter ein. »Ja, trinken wir auf unsere Siege!«
Sergej ahnte, dass der Gardehauptmann einen ganz anderen Sieg meinte als sein Gastgeber, aber auch er konnte nicht wissen, wie weit sich die Vorstellungen dieses Mannes bereits verstiegen hatten. In seiner Phantasie sah Kirilin den Zarewitsch bereits den Thron besteigen und sich selbst im Rang eines Generals als engsten Berater an dessen Seite stehen.
Widerwillig löste Sergej seine Hand vom Säbelknauf und zuckte mit den Schultern. Ihm war klar, dass der Mann Raskin und ihn verspottete, doch er konnte es sich nicht leisten, ein Duell vom Zaun zu brechen, denn das hieße, die Befehle des Zaren zu missachten. Zwar hatte Kirilin in seinen Augen eine kräftige Abreibung verdient, doch der Preis, den er selbst dafür würde zahlen müssen, war zu hoch. Er hatte nichts davon, wenn er nach einem Zweikampf in einem der bereits fertigen Kerker der Peter-und-Paul-Festung saß und sich von den Wächtern erzählen lassen musste, dass sich seine Kameraden mit den Schweden herumschlugen.
»Trinken wir auf den Sieg unseres erlauchten Zaren!« Er nahm ein Glas entgegen, hob es kurz und trank es in einem Zug leer. Dabei ließ er Kirilin nicht aus den Augen. Dieser wiederholte seinen Trinkspruch mit spöttischem Lächeln und wies dann auf Bahadur. »Wie ich sehe, will der Tatar nicht auf unseren erhabenen Zaren trinken. Wollen wir das zulassen, Kameraden?« Er sah die übrigen Offiziere, die sich um die kleine Gruppe versammelt hatten, auffordernd an.
Sein Freund Schischkin schüttelte sofort den Kopf. »Bei Gott, nein! Das ist nicht nur eine Beleidigung des Zaren, sondern auch der ganzen russischen Armee.«
Kirilin bleckte die Zähne wie ein Zobel, der seine Beute vor sich sieht. »Also trink, Tatar, oder ich werde dir morgen früh den Schädel spalten müssen.«
Schirin krampfte die Hände zusammen, denn der Mann schiennicht zu spaßen. Neben ihr stieß Sergej einen leisen, aber unflätigen Fluch aus und bedauerte, sich den aufgeblasenen Kerl nicht selbst vor die Klinge geholt zu haben. »Bis jetzt dachte ich, das Preobraschensker Regiment bestände aus tapferen Kerlen, aber ich habe mich wohl geirrt. Nur ein Feigling fordert ein halbes Kind zum Duell!«
Für einen Augenblick sah es so aus, als würde Kirilin Sergejs Herausforderung annehmen, doch dann lachte er dröhnend und klopfte ihm scheinbar freundschaftlich auf die Schultern.
»Der Kleine ist für dich wohl
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