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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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japanischen Kaufleute, die Residenzen des Faktors und des Kapitäns, das Haus des Stellvertreters, auf dessen Dach sich der Wachtturm befindet, die Dolmetscherzunft, ein kleines Krankenhaus. Von den vier niederländischen Speichern - Roos, Lelie, Doorn und Eik - haben nur die beiden letztgenannten den Brand, den Vorstenbosch «das Snitker-Feuer» nennt, überstanden. Lagerhaus Lelie wird gerade wiederaufgebaut, aber das gänzlich niedergebrannte Roos muss warten, bis es um die Schuldenlast der Faktorei besser bestellt ist. Von der Landpforte führt eine schmale steinerne Brücke über einen kleinen Kanal aufs Festland. Die Seepforte, am Ende einer kurzen Rampe gelegen, wo die Sampans der Kompanie be- und entladen werden, ist nur während der Handelszeiten geöffnet. Daneben befindet sich ein Zollhaus, wo mit Ausnahme des amtierenden Faktors und des Kapitäns alle Niederländer auf verbotene Gegenstände untersucht werden.
    Eine Liste , denkt Jacob, auf der an oberster Stelle «christliche Artefakte» stehen.
    Er wendet sich seiner Zeichnung zu und beginnt, mit Kohle das Meer zu schattieren. Die Ruderer schauen ihm neugierig über die Schulter. Jacob zeigt ihnen das Blatt:

    Der ältere verzieht anerkennend das Gesicht.
    Ein Ruf von einem der Wachtboote schreckt die beiden auf: Sie kehren an die Ruder zurück.
     
    Der Sampan schwankt unter Vorstenboschs Gewicht: Eigentlich ist er von schlankem Wuchs, aber sein seidener Surtout ist prall gefüllt mit «Einhorn» oder Narwalzahn, das in Pulverform in Japan als Allheilmittel geschätzt wird. «Diesem Possenspiel» - der künftige Faktor klopft mit den Fäusten auf den ausgebeulten Rock - «werde ich ein Ende bereiten. ‹Warum›, fragte ich diese Natter Kobayashi, ‹wird die Fracht nicht ganz regulär in Kisten verpackt, an Land gebracht, ganz regulär, und bei der Privatauktion ganz regulär verkauft?› Seine Antwort? ‹Das hat es noch nie gegeben.› ‹Wie wäre es›, schlug ich ihm vor, ‹wenn wir jetzt damit anfangen?› Er glotzte mich an, als hätte ich behauptet, der Vater seiner Kinder zu sein.»
    «Herr Vorstenbosch?», ruft der Erste Offizier. «Sollen Ihre Sklaven Sie an Land begleiten?»
    «Schickt sie mit den Kühen. In der Zwischenzeit soll mir Snitkers Schwarzer dienen.»
    «Sehr wohl - und Dolmetscher Sekita bittet darum, mit an Land zu dürfen.»
    «Dann lassen Sie den Schwachkopf herunter, Herr Wiskerke ...»
    Sekitas breites Hinterteil ragt über die Reling. Die Schwertscheide verfängt sich in der Leiter: Für dieses Missgeschick erntet sein Diener einen kräftigen Hieb. Als Herr und Diener sicher Platz genommen haben, zieht Vorstenbosch den feschen Dreispitz. «Ein himmlischer Morgen, Herr Sekita, nicht wahr?»
    «Ah.» Sekita nickt, ohne zu verstehen. «Wir Japaner sind Inselvolk ...»
    «Wahrhaftig. Meer, wohin das Auge reicht: unendliches Dunkelblau.»
    Sekita sagt einen weiteren auswendig gelernten Satz auf: «Hohe Kiefern sind tiefe Wurzeln.»
    «Warum müssen wir unser knappes Geld eigentlich für Ihr dickes Gehalt verschwenden?»
    Sekita spitzt den Mund, als würde er nachdenken. «Wie geht es Ihnen, mein Herr?»
    Wenn er meine Bücher inspiziert , denkt Jacob, sind all meine Befürchtungen umsonst gewesen.
    Vorstenbosch ruft den Ruderern «Los!» zu und zeigt auf Dejima.
    Unaufgefordert und überflüssigerweise übersetzt Sekita den Befehl.
    Die Ruderer treiben den Sampan zur Melodie eines rauchig gesungenen Seemannsliedes mit schlangenartigen Ruderbewegungen durchs Wasser.
    «Ob sie wohl», denkt Vorstenbosch laut, « Rück dein Gold raus, o stinkender Holländer singen?»
    «Doch gewiss nicht in Anwesenheit eines Dolmetschers!»
    «Eine sehr nachsichtige Bezeichnung für diesen Herrn. Aber er ist mir lieber als Kobayashi: Dies könnte für eine ganze Weile die letzte Gelegenheit für eine private Unterhaltung sein. Sobald wir an Land sind, muss ich alles daransetzen, dass die Handelszeit so viel Ertrag bringt, wie unsere schäbige Fracht es zulässt. Sie, de Zoet, haben eine völlig andere Aufgabe: Sie prüfen die Bücher der Faktorei, sowohl auf die Geschäfte der Kompanie als auch auf die privaten, und zwar ab dem Jahr vierundneunzig. Wenn wir nicht genau wissen, was die Beamten gekauft, veräußert und ausgeführt haben und zu welchem Preis, erfahren wir nie, mit welchem Ausmaß von Korruption wir es zu tun haben.»
    «Ich werde mein Bestes tun, Herr Vorstenbosch.»
    «Snitkers Verhaftung ist meine Absichtserklärung, aber wenn

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