Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
ganz nach den Regeln der Seemannschaft verlaufen, zumal auch noch einige der anderen Seeleute den süßen Verführungen von Schanghai erlegen waren.
    Die Segel hatten im Wind geschlagen, das Schiff war der östlichen Kaimauer beim Auslaufen gefährlich nahe gekommen, und auf den Rahen standen schließlich zwei Dutzend chinesische Zwischendeck-Passagiere, die helfen wollten, aber nicht genau wussten, was zu tun war. Das Deck war übersät mit den zusammengekauerten Körpern der Seeleute, die hier ihren Rausch ausschliefen. Ross indes war froh, dass er nicht mehr Männer in den Opiumhöhlen verloren hatte. Und auch diese hier würden in kurzer Zeit wieder einsatzbereit sein.
    Für Betty und Sikki gab es unter Deck ein zwar kleines, aber leidlich sauberes Abteil, in das auch der komplette Tee gestapelt war. Ross war der Ansicht, dass man die Passagiere nicht unnötig in Versuchung führen sollte. Für den kleinen Verschlag hatte er sich Bettys komplettes verbliebene Silbergeld in die Hand zählen lassen. Dabei hätte sie ihm lieber eine Kiste von dem Tee abgegeben und damit ihre Überfahrt bezahlt. »Tee?« Ross verzog angewidert das Gesicht. »Bin ich ein Chinese, oder was?« Es war nichts zu machen.
    Als sie die Bucht von Shanghai verlassen hatten, war die Walross noch unter vollen Segeln gelaufen. In der nun einsetzenden Flaute jedoch half ihr das nicht. Nach einer Weile war Sikki wieder ins Schweigen verfallen. Betty aber verbrachte einen großen Teil ihrer Zeit am Heck des Schiffes und starrte achteraus, dahin, wo ihrer Meinung nach China hinter dem Horizont verschwunden war und wo dahinter auch irgendwo Darjeeling lag.
    Einmal hatte Betty versucht, Kapitän Ross in ein erneutes
Gespräch über Francis zu verwickeln, aber die Sache war fehlgeschlagen, denn Ross hatte schon wieder dem Alkohol zugesprochen und konnte sich angeblich nicht mehr daran erinnern, dass er den Namen von Francis jemals erwähnt hatte. »Aber Sie kennen ihn doch«, beharrte Betty. »Das haben Sie doch selbst gesagt!« Sie spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen.
    »Ich kenne so ungefähr jeden, der hier herumfährt«, antwortete Ross. »Das ist der Nachteil, wenn man fast fünfzig Jahre lang auf See ist. Ich kenne sogar noch einen Haufen Leute, die schon lange tot sind und die sonst niemand mehr kennt, und langsam werden das auch immer mehr. Aber was soll’s? Nehmen Sie sich einfach vor der Teemafia in Acht, mehr müssen Sie darüber nicht wissen.«
    »Aber ich kenne John Francis Jocelyn auch«, beharrte Betty verzweifelt.
    »Unsinn. Das kommt vom Opium, das Sie da in dieser Kaschemme eingeatmet haben. Am besten, Sie halten sich in Zukunft fern von dem Zeug! Ich habe in meinem Leben immer nur guten, anständigen Schnaps getrunken, nur daher habe ich noch alle meine Sinne beisammen!«
    Betty seufzte. Es war nichts zu machen.
    Auch Sikki wollte sich auf kein Gespräch über Francis einlassen.
    »Zuerst verschweigst du mir, dass Ava seine Schwester ist. Und dann erfahre ich durch Zufall, dass die Dame Sahing nicht nur der Teemafia angehört, sondern auch noch seine Mutter ist! Warum hast du das mir nicht gesagt?«
    Sikki zuckte die Schultern. »Nun, Sie haben mich damals gebeten, nicht mehr von Mister Jocelyn zu sprechen. Und au ßerdem: Wenn ich Ihnen alle Gerüchte erzählen würde, die mir über ihn jemals zu Ohren gekommen sind, müsste ich hundert
Jahre lang reden. Sie sollten ihn einfach vergessen.« Sie legte Betty eine Hand auf den Arm und fügte leise hinzu: »So wie er Sie vergessen wird. Sie haben nichts mehr mit ihm zu tun. Darum möchte ich Ihnen auch keine Gerüchte über ihn erzählen.«
    »Aber sag mir, warum ist das alles so gekommen?«, fragte Betty schluchzend.
    Sikki sah sie mitfühlend an. »Ich fürchte, Sie haben das Vertrauen von Mister Jocelyn zerstört, indem Sie ohne Grund abgereist sind. Er ist zwar kein Inder, aber die chinesischen Männer werden nicht so sehr anders sein als unsere. Wir Asiaten sind anders als Sie Europäer. Es ist wichtig, dass man einander vertraut. Vertrauen ist wie feinstes chinesisches Porzellan. Es hält eine Ewigkeit, aber wenn es einmal zerschlagen ist...«, Sikki lächelte tröstend. »Immerhin liefern wir nun den Tee an den rechtmäßigen Käufer aus. So haben Sie zwar das Vertrauen des Mannes enttäuscht, der sie liebte. Aber Sie sind dennoch eine ehrenwerte Frau und eine gute Händlerin.« Sie klopfte aufmunternd auf Bettys Arm. »Das freut mich sehr und macht mich auch sehr

Weitere Kostenlose Bücher