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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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wartete. Betty und Sikki bildeten mit vier jungen Bauern, die Betty kaum bis zur Schulter reichten, eine Gruppe.
    »Einen Moment«, rief Kapitän Ross vom Schiff herunter. »Die Gruppe mit den beiden Damen bitte ganz nach vorne.«
    Betty war es unangenehm, anders behandelt zu werden als die anderen. Auch den vier jungen Bauern schien es nicht recht zu sein, sich plötzlich so aus der Menge herausgehoben zu sehen. Sie waren so befangen, dass sie nicht einmal die Köpfe hoben, als der Einwanderungsoffizier, der den Eingang zum Schuppen bewachte, ihnen eine Frage stellte.
    Betty reckte den Hals nach ihrem Tee. Soeben wurde das letzte Paket auf den Stapel gewuchtet. Die Sonne schien. Alles würde gut gehen.
    Nach einer Weile öffnete sich die Tür des Schuppens, und Bettys Gruppe wurde bedeutet, ins Innere zu gehen. Der Raum war schummrig und riesig groß. Das fiel umso mehr auf, als in seiner Mitte nur ein einziger langer Tisch stand, an dem drei uniformierte Männer saßen. Der erste war offenbar für das Fragenstellen zuständig. Der zweite saß hinter einer reich verzierten eisernen Kasse und der dritte hütete einen Satz von Stempeln. Betty musste unwillkürlich lächeln. So einfach ging das hier also. Es gab keine Aktenberge wie in preußischen Kontoren und keine Absperrungen, keinen miefigen Schreibstubengeruch und keine Wandtafeln mit Paragrafen. Amerika gefiel ihr auf den ersten Blick.
    »Woher kommen Sie, junge Lady?« Der Mann sah sie teilnahmslos an. Er hatte bereits seinen Federhalter in die Tinte getunkt, jetzt hielt er die Feder dicht über dem Papier, bereit, etwas darauf zu kritzeln.
    »Aus Schanghai«, antwortete Betty. »Aber ich bin eigentlich aus …«

    »Ruhe, bitte«, schnarrte der Mann und machte eine Notiz. »Name? Alter?«
    »Betty Henningson, sechzehn Jahre alt.«
    Der Mann nickte. Seine Feder kratzte über das Papier. »Waren anzumelden?«
    Betty spürte, dass Sikki sich dicht hinter sie gestellt hatte. Sollte sie den Tee angeben? Schließlich war er ja eine Ware, auch wenn sie hier keinen Handel damit treiben wollte.
    »Ich habe 23 Kisten zu 60 Pfund indischen Tee aus Darjeeling und ich möchte damit nach...«
    »Seien Sie endlich ruhig«, blaffte der Mann. »Und antworten Sie nur auf meine Fragen.«
    Wieder hatte es ihr einen Stich gegeben, das Wort Darjeeling zu erwähnen. Es war wie eine Verletzung, die nicht heilen wollte.
    Der Mann tauchte seine Feder abermals ein und kritzelte eine Rechnung auf sein Papier. 23x60 . Die Zeit verging. Betty drehte sich um und sah durch die sich eben wieder schließende Tür, dass ihr Tee immer noch wohlbehalten auf dem Kai lag. Direkt vor der Tür warteten Lisi und ihr Mann, in den Schuppen eingelassen zu werden. Das Baby fuchtelte mit den Armen und krähte fröhlich. Lisi lächelte Betty zu.
    »Das sind dann genau 1380 Pfund Tee«, sagte der Mann.
    Betty wartete und wartete. Niemand hinter ihr wurde abgefertigt. Die vier jungen Bauern ließen die Köpfe hängen, wie verdorrte Blumen, und sie bewegten sich auch nicht. Ein Sonnenstrahl fiel durch ein Fenster hinein. Staubkörnchen flimmerten in der Luft.
    »Wir sind ein liberales Land«, sagte der Mann mit der Schreibfeder plötzlich. »In China herrscht Krieg. Unsere tapferen Soldaten sind auch vor Ort, denn wie Sie sicherlich wissen, hat sich China geweigert, die Verträge von Nanking einzuhalten
und andere Häfen als Kanton für den freien Handel zu öffnen. Die Grenze für die Teesteuer auf Tee aus Ostasien ist daher einstweilen herabgesetzt worden. Künftig sind 7 Pfund Tee pro erwachsener Person steuerfrei. Diese Menge können Sie Ihrer Ladung zum privaten Gebrauch entnehmen. Der restliche Tee wird besteuert!«
    Er tunkte die Schreibfeder ein und widmete sich wieder seinen Berechnungen. »Das macht dann 2746 Dollar. Sie können auch in Silber oder Gold bezahlen oder mit einem Wechsel einer amerikanischen Bank.« Er sah Betty aufmerksam an. »Zwei Dollar pro Pfund. Weil der Tee aus Indien kommt. Und weil Sie keine Amerikanerin sind. Chinesischer Tee hätte nur 50 Cent pro Pfund gekostet. Als Amerikanerin hätten Sie auf chinesischen Tee allerdings überhaupt keine Steuern zahlen müssen.« Er lachte fröhlich. »Die Boston Tea Party. Sie wissen schon. Wir sind ein liberales Land.« Er zögerte. »Liberal gegenüber unseren einheimischen Händlern.«
    Betty spürte, wie der Raum sich um sie zu drehen begann. »Aber das verstehe ich nicht«, stammelte sie. »Ich habe nicht so viel Geld. Ich möchte

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