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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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drohte. Und spürte sie jetzt nicht auch seinen Duft? Seine Augen blickten sie lächelnd an, als er sie an sich drückte.

    Die alte Frau gab ihr einen Schubs. »Hier bitte hinlegen, die Pfeife wird sofort gebracht!«
    Das Bild von Francis verschwamm vor ihren Augen. Sie würde ihn niemals mehr wiedersehen. Und er würde ihr sein Lebtag lang nicht verzeihen. Vielleicht aber würde er sie auch nur vergessen. Das geschah ihr recht, nachdem sie ihn belauscht und daraus so falsche Schlüsse gezogen hatte. Sie hatte sein Vertrauen nicht verdient.
    »Kommen Sie, meine Liebe, Sie sehen ja so bekümmert aus. Gleich wird es besser.« Die schmeichelnde Stimme der Alten näherte sich jetzt ihrem Ohr. »Legen Sie sich einfach hin. Eine Decke benötigen Sie hier nicht und auch kein Kissen. Sie werden frei sein von den Gefühlen der Wärme und der Kälte. Alles wird schön werden.« Sie überlegte. »Es wird sein, als ob Sie Ihr kleines verpfuschtes Leben noch einmal von vorn beginnen könnten. Sie werden strahlen vor Glück!«
    Betty machte sich langsam los und taumelte zurück. »Lassen Sie mich in Ruhe. Ich suche einen Mister Ross. Wo ist er, bitte?«
    Zu ihrem großen Erstaunen ließ die Alte sofort von ihr ab und schob sie tatsächlich durch die Gänge bis hin zum Ausgang, wo sie auf einen kleinen roten Stuhl wies. »Mister Ross suchen Sie? Warten Sie hier!«
    Es war der Geruch des Opiums, der ihre Sinne so vernebelt hatte. Betty wollte schon aufspringen und zur Tür hinausrennen, als sie spürte, wie schwer ihre Beine waren. Einfach auf dem Stuhl sitzen. Das war auch schon sehr schön. Sie schloss wieder die Augen und lehnte sich mit dem Kopf gegen die Wand. Sie würde versuchen, ein wenig zu schlafen.
    »Miss, Sie haben nach mir gefragt?«
    Fast war es, als ob ihre Augen verklebt waren. Sie hatte Mühe, sie zu öffnen und dann auch offen zu halten. Der Mann vor ihr
schien um die sechzig Jahre alt zu sein. Er wirkte alles andere als betrunken. Er wirkte wütend. »Vielleicht sind Sie so gut und sagen mir jetzt, was Sie wollen!«
    Betty schluckte, während ihr die Augen wieder zufielen. »Ich brauche Lagerraum auf Ihrem Schiff. Für Tee. Nach San Francisco. Schnell. Die Dame Sahing ist hinter mir her.« Ihre Stimme klang viel dunkler als gewöhnlich. Und wie kam es, dass sie plötzlich ein Echo hatte?
    »Verflucht, das fehlt mir gerade noch!« Der Mann packte sie am Arm und schleifte sie aus dem Gebäude auf die Straße. Betty sah an sich herunter und bemerkte, dass ihre Schuhe über den Boden schurrten und dass sie mit der Hüfte gegen die Laibung der Holztür fiel, aber sie spürte keinen Schmerz. Kapitän Ross trat mit seinem Stiefel die Tür wieder ins Schloss zu rück. Dann setzte er Betty einfach auf die Straße. Ob man hier auch schlafen konnte? Warum eigentlich nicht? Die Straße war weich und warm. Betty lehnte sich auf eine Seite.
    »Hey! Nicht einschlafen, Lady! Wo ist Ihre Ware?«
    »Es ist keine Ware, es ist Tee!«
    »Tee!« Ross hatte seine Stimme gesenkt. »Wo ist er?«
    »Da hinten irgendwo!« Betty wollte mit einem Finger in eine Richtung zeigen, aber ihre Hand war zu schwer. So zeigte sie nur auf den Boden.
    Ross beobachtete sie mit Missfallen. »Donnerwetter, wie lange haben Sie geraucht?«
    »Gar nicht geraucht.« Betty gähnte herzhaft. »Nur geatmet.« Normalerweise hätte sie sich jetzt eine Hand vor den Mund gehalten, aber ihre Hand bewegte sich ja nicht.
    »Hey, bleiben Sie wach, Lady! Das geht bald vorüber. Ich muss Ihnen einige Fragen stellen. Woher kennen Sie die Dame Sahing?«
    Die Stimme von Kapitän Ross war störend laut. »Die Dame
Sahing gehört zur berühmt-berüchtigten Teemafia. Die soll acht Mitglieder haben - einer schlimmer als der andere. Wenn Sie einen von denen wirklich von Angesicht zu Angesicht gesehen haben, sollten Sie machen, dass Sie aus Schanghai wegkommen. Die mögen es nicht, erkannt zu werden.« Er stockte. »Und die Dame Sahing soll da besonders heikel sein.« Kapitän Ross strich sich mit einer Hand durch sein schlohweißes Haar. »Außer ihrem Sohn kenne ich niemanden, der weiß, wie sie wirklich aussieht. Und der ist ein in ganz Asien berühmter Kaufmann, der zusieht, dass er so weit wie möglich von seiner eigenen Mutter entfernt ist.«
    Betty hob den Kopf, dann richtete sie sich ganz auf und sprang auf die Füße. Ein kühler Meerwind streifte ihr Gesicht. Ihre Gedanken waren plötzlich klar wie Wasser.
    »Hab ihn lange nicht mehr gesehen«, murmelte Kapitän Ross.

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