Die Teeprinzessin
Salz macht alles haltbar, wirklich alles!«
Betty wandte sich schaudernd ab. Auf See ging es nicht immer zimperlich zu, das hatte sie mittlerweile gelernt.
Man hatte für sie eine zwar kleine, aber sehr behagliche Kabine im Vorschiff vorgesehen. Betty erfuhr, dass die Konstantina nur eine kurze Reise mit leichter Ladung machen sollte, bevor sie dann im Mai wieder in die Neue Welt fahren würde. Außer dem Eigner, der diese Reise selbst mitmachte, waren keine weiteren Passagiere an Bord, und auch die Mannschaft war für die kurze Strecke nach Hamburg auf acht Seeleute, den Koch, den Steuermann und den Kapitän zusammengeschrumpft, da die meisten englischen Besatzungsmitglieder bereits in Southampton abgeheuert hatten.
»Welche Ladung haben Sie außer meinem Tee an Bord?«, fragte Betty den Steuermann, der sie in die kleine Kabine eingewiesen hatte.
»Kolonialwaren«, lautete die knappe Antwort.
»Aus Nordamerika? Welche denn?« Soweit Betty wusste, kam von dort nur Baumwolle. Und natürlich solche Spezialitäten wie das Naschwerk, das Upton herstellte.
Der Steuermann sah sie irritiert an. »Das geht mich nichts an. Das macht der Stauer und der ist schon heute Nachmittag von Bord gegangen. Im Übrigen fahren wir jetzt los! Das Wetter wird nicht besser. Und im Hafen ist man bei Sturm am schlechtesten aufgehoben. Entschuldigen Sie mich, junge Frau.« Er nickte ihr noch kurz zu und machte dann, dass er aus der Kabine kam.
Wenn es stimmte, was Junes gesagt hatte, würden sie bei diesem Wind nicht mehr als drei Tage bis Hamburg brauchen. Dann war sie am Ziel ihrer Reise angelangt, an einem traurigen
Ziel zwar, aber immerhin hatte sie mit der Anlieferung des Tees dann geschafft, was sie sich zuletzt vorgenommen hatte. Eine leichte Unruhe ergriff Betty. Lohnte es sich überhaupt, für diese Zeit den Koffer auszupacken? War es nicht besser, die Zeit zu nutzen, um die Auslieferung des Tees zu planen? Sollte sie einen Wagen bei den Remburgs vorfahren lassen, der mit dem Tee beladen war? Oder war das zu dramatisch? Betty beschloss, lieber den üblichen Weg der Teehändler zu gehen. Sie würde Remburg anbieten, den Tee zu verkosten, den er bezahlt hatte. Dann würde man weitersehen. Und wenn ihm die Ware nun nicht zusagte?
Sie musste auch an Anton denken. Sicherlich hatte er bei den Remburgs unterdessen Karriere gemacht. Dann fiel ihr Frau von Mux ein. Ob sie noch lebte? Der Tee jedenfalls würde ihr schmecken, da war sie sich ganz sicher. Betty nahm sich vor, gleich nach dem Festmachen in Hamburg ein Kistchen davon nach Emden zu schicken. Den Gedanken an ihren Vater versuchte sie zu verscheuchen. Darin hatte sie es unterdessen zur Meisterschaft gebracht, fand sie. Obwohl es fast noch schwieriger war, niemals wieder an Francis denken zu dürfen. Wo er nun wohl war? Betty stellte sich vor, wie die Luft in Darjeeling von einem seidigen Hauch erfüllt war, wie sich die Nacht über ein grünes Tal senkte. Wie er sie anlächelte.
Die Ankerkette rasselte im Ankerkasten. Betty spürte, dass das Schiff nun frei war und sich bewegte. Sie hatte Hunger und Durst, war sich aber sicher, dass sie auch auf diesem Schiff nicht mehr an Wasser und Nahrung aufnehmen wollte als unbedingt nötig. Oben knallten die Segel, dann drehte sich das Schiff mit einem heftigen Schwung um die eigene Achse. Hatte Junes nicht gesagt, die Konstantina sei ein gemächliches Schiff? Oder hatte sie da etwas missverstanden?
Sie konnte sich eben noch an dem Holzregal über ihrer Koje
festhalten, als sich das Schiff bereits auf die Seite legte. Drau ßen prasselte Regen aufs Deck. Der Sturm begann zu heulen. Oben an Deck ertönten Kommandos, die Betty nicht verstehen konnte. Durch das Oberlicht an der Decke konnte sie ein winziges Stückchen Himmel sehen, wenn nicht gerade eine Regenbö darüberpeitschte. Zuerst dachte sie, dass jemand ein dunkles Tuch über die Glasluke geworfen hatte, dann aber sah sie, dass es der Himmel war, der nun rotviolett und gelb leuchtete.
Die Konstantina ächzte, als ob sie auseinanderbrechen wollte. Warum nur waren sie bei diesem Wetter losgefahren? War es auf See wirklich sicherer als in einem Hafen? Aber immerhin war ja auch Junes sofort wieder losgesegelt. Ob alle Kapitäne mit ihren Schiffen ähnlich umgingen?
Die Konstantina stampfte durch das Wasser. Wegen ihrer geringen Länge musste sie die langen und hohen Wellen offenbar ausreiten. Dann hob sich ihre Nase, bis Betty sich in ihrer Kabine fast nicht mehr auf den Beinen
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