Die Teeprinzessin
hin erkennen konnte. Francis und drei der stärksten Seeleute der Ersten Maria saßen an den Riemen, konnten das Beiboot aber trotz aller Anstrengung kaum auf Kurs halten. Sie kämpften nun gegen den Ebbstrom. Die Tide war gekippt und hatte die kleine Insel fast völlig entblößt. Jetzt lag sie wie ein großer weißer Wal im eisern schimmernden Meer. Hinzu kam ein starker ablandiger Wind, der das Boot immer und immer wieder aufs Meer hinaustrieb.
»Da liegt sie!« Francis sprang auf und brachte das Boot damit fast zum Kentern.
Dayun hatte sie im gleichen Augenblick ebenfalls entdeckt. Dann starrte er ins Wasser. »Wir sind direkt über einer Sandbank und haben keine zwei Fuß Wasser unter dem Kiel!«
Da stand John Francis Jocelyn bereits im Wasser und kämpfte
sich zu Fuß voran. Ein matter Bodennebel schien über der langen Sandfläche zu liegen, auf der wie Würfel mehr als ein Dutzend Teepakete und einige Planken der Konstantina verstreut lagen. Es war ihnen nicht anzusehen, dass sie erst seit wenigen Augenblicken hier lagen. Von der Dünenkette her näherte sich nun eine Gruppe einheimischer Männer, die mit Säcken und Beuteln beladen waren. Es waren Strandräuber, die den Untergang der Konstantina vor der gefährlichsten und ertragreichsten Sandbank ihrer Küste beobachtet hatten. Sie sahen es als ihr Recht an, dass jeder Gegenstand, den sie auf ihrem Eiland berührten, der ihre war. Auch sie fielen nun in einen schnelleren Trab, eine Horde schmutziger Männer mit filzigen Bärten.
John Francis Jocelyn eilte weiter. Nach wenigen Momenten hatte er den ausgestreckten Körper erreicht und kniete sich in den Sand. Er drehte Betty behutsam herum.
Sand hatte ihre Augenlider verkrustet, fast sah es aus, als sei ihre Gestalt gefroren. In ihrem Haar steckte anstelle der blauen Spange eine winzige blaue Schnecke. Neptun hatte ein Tauschgeschäft gemacht. Er hatte ein unglückliches Wesen zu sich genommen und ein Glückskind an den Strand geworfen.
»Betty!« Francis nahm sie in seine Arme und flüsterte ihren Namen. »Ich bin dir um die halbe Welt gefolgt, um dir zu sagen, dass ich dich liebe. Betty, bitte, schlafe nicht!« Er berührte mit seinen Lippen vorsichtig ihren Mund.
Dayun hatte in einigem Abstand Posten bezogen. Seine weißen Beinkleider und die schwarze Weste der Kämpfer der Weißen Tiger flatterten im Wind. Die Einheimischen waren stehen geblieben, um die drei Menschen anzustarren, die plötzlich an ihren Strand gekommen waren. Dann zeigten sie mit den Fingern auf das kleine Boot, das soeben von den drei Seeleuten in flacheres Wasser bugsiert wurde.
Francis hielt Betty nun noch enger umschlungen. Er barg sein Gesicht in ihren kühlen Haaren und flüsterte etwas, das sie nicht verstand. Was war es nur, das er da sagte? Warum konnte sie seine Sprache nicht verstehen? Würden sie demnächst zusammen dinieren? Hatte er sie das gefragt?
»Ich habe Hunger«, sagte Betty Henningson. »Und Durst!«
John Francis Jocelyn sah sich zu Dayun um, so als könne er es nicht fassen. Dann begann er in seinen Manteltaschen zu graben. »Es tut mir so leid«, murmelte er. »Ich möchte dir die ganze Welt zu Füßen legen, du bekommst von mir alles, was du nur willst, aber genau das, was du jetzt im Moment unseres Wiedersehens haben möchtest, das habe ich nicht!«
Auch Dayun hatte angefangen, seine Westentaschen nach etwas Essbarem abzuklopfen. Sein scharfer Blick tastete die sandigen Dünenketten und den Strand ab. Hier wuchs nichts und hier würde niemals etwas wachsen. Nicht einmal eine Quelle schien es zu geben. Da fiel sein Blick auf die Gruppe Einheimischer, die nun verlegen von einem Bein auf das andere traten.
Er war mit wenigen Schritten bei ihnen und hatte dem Ersten bereits sein Bündel entwunden, bevor dieser auch nur den Mund zu einem ungläubigen Staunen öffnen konnte. Dayun wühlte mit ausgestrecktem Arm in der Tiefe des Seesackes, dann stülpte er ihn kurzerhand um und schüttete den Inhalt, der nur aus einigen Seilen und zwei weiteren Säcken be stand, auf den Strand. Der Mann protestierte in einer Sprache, die mehr wie ein Knurren klang. Während er bereits den Beutel des Nächsten gegriffen hatte, streckte Dayun die Hand nach dem Mann aus, berührte eine Stelle an der Seite des faltigen Halses und hatte den Mann im Augenblick darauf bereits mit einem seiner schnellen Griffe betäubt, sodass dieser auf den harten Sand sackte.
Nun wagte keiner der Männer mehr, auch nur den geringsten Laut zu
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