Die Teeprinzessin
über einen Bodensatz an Manieren zu verfügen, denn er entschuldigte sich, bevor er rülpste, und er sagte »Gestatten Sie, Madam«, bevor er furzte wie ein Tambourmajor.
An Getränken erhielt sie vornehmlich Wasser, das aber offenbar extra für die junge Passagierin gebunkert worden war und das einen seltsamen Beigeschmack hatte. Als Betty einmal in das Fass in der Mitte der Messe lugte, sah sie, dass darin ein Frosch eifrig seine Runden schwamm. Die Mannschaft einschließlich des Schiffsjungen trank wenig anderes als ei nen dunklen süßlichen Rum, der offenbar in großen Mengen zur Verfügung stand. Übrigens schien der Koch sich durch aus etwas auf seine Küchenkünste zugutezuhalten. Er hatte bräunliche, offenbar selbst kandierte Früchte mit an Bord, von denen er seinen Lieblingen in der Mannschaft, nämlich denjenigen, die seinen Speiseplan nicht kommentierten, täglich eine schmale Scheibe abschnitt und auf der Messerspitze kredenzte. Betty gehörte schon am zweiten Tag nicht mehr in diese illustre Gruppe, nachdem sie von seinem »Rosinenkuchen irische Art«, dessen Rosinen vormals ein Leben als Schrankbewohner geführt hatten, nur einen einzigen Bissen hinunterwürgen konnte. So kam Betty schon bald zu dem Schluss, dass es das Beste wäre, in ihrer Koje zu bleiben und sich zu zwingen, täglich ein Gläschen von dem Froschwasser zu trinken oder aus dem Konfektkistchen zu naschen, das Didi ihr zum Abschied verehrt hatte.
Als Betty sich doch einmal an Deck traute, weil sie glaubte, in ihrer Kabine zu ersticken, sah sie, wie Kapitän Junes eben den Großmast hinaufkletterte, um selbst in den Ausguck zu gehen. Der alte Steuermann Kranks, dessen weiße Augenbrauen fast eine viertel Elle lang waren, legte die Hand an die Stirn, um seinem Käpt’n mit den Augen zu folgen. »Sie sind
hinter uns her«, erklärte er dann. »Die anderen drei Marias wollen uns wohl zum Rennen fordern. Junes’ jüngerer Bruder Hank ist auf der Lieblichen Maria, von dem ist keine Gefahr zu erwarten, das ist eine echte Landratte, der nur segeln würde wie der Satan, wenn eine schöne Frau vor ihm herjagte. Aber auf der Ersten Maria fährt Junes’ Erzfeind. Ein Feigling, sagt Junes. Aber wenn Sie mich fragen: Er segelt nicht ganz schlecht. Keiner von uns hätte jemals gedacht, dass die bei dem Wetter auslaufen würden. Sehen Sie die schwarzen Segel vor dem Horizont? Ich frage mich, was die da machen. Haben die den Teufel an Bord?« Betty hatte nur einen kurzen Blick zurückgeworfen, aber das Salzwasser brannte sofort in ihren Augen wie Waschlauge.
»Warten Sie, bis wir auf dem Wellenkamm sind, dann machen Sie kurz die Augen auf!«, rief Kranks, aber Betty konnte nicht das Mindeste erkennen. Der Kapitän brüllte irgendet was von oben, gleich darauf zerschlug vor Bettys Füßen eine Whiskeyflasche, die Junes nach dem Steuermann geworfen hatte. »Gehen Sie lieber wieder nach unten, junge Lady«, schrie Kranks. »Der Alte will, dass wir noch unseren letzten Fetzen setzen. Dabei ist es schon fast Mord, die Jungs bei dem Wetter da hochzuschicken.« Er griff mit der Hand nach ihrem Arm. »Und wenn Sie was splittern hören, nicht an Deck kommen, das sind dann die Masten. Wenn hiernach noch eine einzige Seele an Deck lebt, soll mich der Teufel holen. Sie können doch hoffentlich nicht schwimmen?«
»Doch, ein bisschen!« Betty hielt sich an der Luke zum Niedergang fest.
»Das ist aber gar nicht gut!« Die braunen Augen des Steuermanns glitzerten besorgt. »Also, Mädchen, immer dran denken. Nicht schwimmen, egal was passiert. Sie quälen sich damit nur unnötig. Am besten gleich einen tüchtigen Schluck von
Neptuns Schnaps nehmen und dann mit geraden Beinen runtersausen. Das geht am schnellsten und dann ist es keine unnötige Quälerei. Wenn Sie hier erst mal eine Viertelstunde herumgespritzt und aufs Wasser geschlagen haben, wird der Tod auch nicht schöner!«
Betty machte, dass sie unter Deck kam. Wie es aussah, war ihre Koje der einzige sichere Ort, an dem sie nicht von umherrutschenden Gegenständen zermalmt werden konnte.
Als des Nachts ein Gewitter aufzog, dachte Betty, dass die ser Teil der Reise nicht mehr schlimmer werden konnte. Aber das war ein furchtbarer Irrtum. Oben an Deck splitterte das Holz. Ganze Rahen fielen aufs Deck. Männer schrien um ihr Leben. Dennoch verlor die Schöne Maria keinen Deut an Fahrt, und als der Morgen graute, brüllte Holden Junes von oben, dass sie die Verfolger abgehängt hätten. Die Mannschaft
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