Die Teeprinzessin
Der darf in der nächsten Zeit nicht mehr hinaus. Unfug, den ihr da getrieben habt! Und das mit dem Fotografieren muss auch aufhören. Asmussen und ich sind uns noch nicht einig darüber, wer hier der Feuerteufel war.« Er hustete. Die Haut in seinem vertrauten Gesicht sah bleich aus. »Oder ob der Feuerteufel vielleicht verführt worden ist, Böses zu tun, das weiß auch noch keiner. Und nun sei so gut und geh mir aus den Augen.« Berthold Henningson zog ein großes Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn, dann stand er plötzlich auf und verließ den Raum. Betty hörte, wie die Tür seiner Schlafkammer zuschlug.
»Was ist denn mit Papa los?« Sie schluckte.
»Vielleicht mag er den Anblick eines Feuerteufels nicht ertragen?« Elkhuber feixte. Trude kicherte schon wieder.
Nur Frau Pannfisch blickte mit fest zusammengekniffenem Mund in ihre Breischüssel.
Betty konnte nicht glauben, was hier geschah. Sie sah verschämt an sich hinunter. Dann drehte sie sich plötzlich um, schlug die Tür hinter sich zu, eilte in die Badestube, riss einen Eimer von der Wand und stellte ihn unter die Pumpe. Den Hinterhof des Teehandelshauses, der nun voller Unrat stand und den man aus dem Waschzimmer sehen konnte, versuchte sie keines Blickes zu würdigen.
Immerhin war bald darauf zu hören, wie Frau Pannfisch und Trude ihre Stühle zurückschoben und ihr seufzend folgten, um
beim Einfüllen des Badewassers zu helfen. Frau Pannfisch entfachte sogar das Feuer unter dem Waschbottich. Anscheinend wollte sie Bettys verschmutzte Kleider waschen, obwohl heute kein Waschtag war. Das war eigentlich eine Selbstverständlichkeit, fand Betty Henningson. Dennoch spürte sie, dass sich seit dem gestrigen Morgen irgendetwas an der Art verändert hatte, wie sie von den Dienstboten behandelt wurde. Betty versuchte, nicht darüber nachzudenken. Sie fühlte sich wie betäubt.
Nach dem Bad - in ordentlich warmem Wasser, das sie trotz des warmen Sommertages noch mehr frösteln ließ - setzte sie sich in ihr Zimmer und begann in einem der dicken Teebücher zu blättern, die aus dem asmussenschen Haus schnell zu den Henningsons hinübergeschleppt worden waren, bevor sie Opfer der Flammen werden konnten. Doch so angestrengt Betty auch auf die Seiten starrte, sie konnte sich nicht konzentrieren. Etwas war vorbei und etwas anderes, Neues, hatte noch nicht angefangen. So verging dieser Tag und so vergingen alle Tage in den folgenden Wochen, einer nach dem anderen. Betty war zu müde, um schlafen zu können, und fühlte sich nicht klar genug, um zu überlegen, wie es dazu gekommen war. Zu den Mahlzeiten ging sie in die Küche, wurde aber bei Tisch von allen geflissentlich übersehen. Nur Elkhuber zwinkerte ihr gelegentlich zu, was die Magd Trude zu immer neuen Kicheranfällen antrieb. Gelegentlich durfte sie den Männern auch Essen in die Werkstatt bringen, das war meist an den Waschtagen, wenn Frau Pannfisch und Trude über die viele Arbeit stöhnten und selbst nichts aßen.
Im Garten reiften unterdessen die Erdbeeren, das ganze Haus roch nach süßer Konfitüre, aber anders als in anderen Jahren sollte Betty in diesem Juni nicht dabei helfen, sie neben dem Ofen zu darren oder mit Honig zu einem dicken Mus zu verkochen. Nicht einmal die alte Frau Hoffkötter kam zu ihnen
herüber, um zu helfen. In ihren Gedanken begann Betty, die Zeit in ein Vorher und ein Nachher einzuteilen, vor dem Brand und nach dem Brand. Vieles hatte sich verändert. Nur der Klang der Silberhämmer war noch wie vor dem Brand, grell und durchdringend. Betty empfand das Geräusch fast schon als Strafe.
Einige Male versuchte Betty, sich in die gute Stube hinüberzuschleichen, um einen Blick auf die Fassade des Teehandelshauses zu werfen und vielleicht Anton sehen zu können. Aber jedes Mal kam Frau Pannfisch aus ihrer Küche herausgeschossen und scheuchte sie wieder in ihr Zimmer zurück. »Wäre ja noch schöner, wenn ihr euch nun auch noch Zeichen geben würdet«, ließ sie verlauten. »Mit vierzehneinhalb Jahren! Du solltest dich schämen. Und auf dem Deich eng umschlungen herumgerollt seid ihr, das hat Hein, der Hirte, auf dem Markt erzählt. Als ob das mit dem Feuer nicht schon genug wäre! Dass du deinem armen Vater so eine Schande machst. Dieser Schweinkram muss jetzt aufhören.« Frau Pannfischs Stimme brach fast vor Empörung.
Betty hatte es aufgegeben, sich verteidigen zu wollen. Wie lange sollte das noch so weitergehen? Sie kam sich vor wie eine
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