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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Theodor geboren wurde, war seine Mutter viele Jahre lang in einer Nervenheilanstalt. Manchmal ist sie auf Probe entlassen worden, aber nach ein paar Tagen bekam sie meistens wieder ihre Zustände. Dann hat der gnädige Herr sie wieder hingebracht. Ich habe Theodor großgezogen, bis er sechs Jahre alt war. Da hat der gnädige Herr ihn dann in ein Erziehungsinstitut in England gegeben.« Sie schluckte. »Das hat mir fast das Herz gebrochen. Er hatte ja sonst niemanden außer mir!« Alida Meier drückte sich ein zerknülltes Taschentuch gegen den Mund. »Im Inneren war er immer ein sehr guter Junge!«
    Betty schüttelte matt den Kopf. Wie konnte Alida Meier ihren Bedroher nun auch noch verteidigen? Weshalb war sie ihr gegenüber so vorwurfsvoll?
    »Bestimmt hast du ihn angeregt mit deinem stolzen Gang und deinem hocherhobenen Haupt!«, fuhr Alida Meier nun fort. »So geht doch kein Dienstmädchen! Das regt die Männer nur auf!« Sie knallte ihren Teebecher so heftig auf den Tisch, dass Betty zusammenzuckte. »Kein Wunder, dass dieser fremdländische Herr nach dir gefragt hat. So etwas geschieht doch keinem ordentlichen Hausmädchen. Gleichwohl. So kann es nicht bleiben. Ich habe eben mit der Jungfer Siebenschön gesprochen,
die der Küche der Remburgs vorsteht. Sie haben in diesem Sommer auch schon zwei Mädchen verloren. Ich sag ja, irgendwas muss in der Luft sein, Jungfern Siebenschön meint das auch! Es ist Haus um Haus das Gleiche.« Alida Meier sah sie streng an, bevor sie fortfuhr. »Ich habe gesagt, dass du aber wohl nicht so eine bist, die sich zuerst mit Männern einlässt und dann ins Wasser geht. Jungfer Siebenschön wird dich als Küchenmädchen aufnehmen. Mein besonderes Rezept für eingelegte Wurzeln wollte sie auch noch dafür haben. Und ich habe mit ihr abgemacht, dass du das erste halbe Jahr keinen Lohn bekommst. Dafür kannst du heute noch hinübergehen. Da kannst du dir etwas darauf einbilden. Bei den Remburgs leben die Mägde besser als anderswo die Herrschaften, sagt man immer!« Alida Meier zögerte. »Und noch eins. Dank will ich nicht. Ich verlange nur, dass du darüber schweigst, was du heute hier gesehen und gehört hast.« Sie drückte wieder das Taschentuch gegen ihren Mund. Dann hob sie die Hand und wedelte damit als Zeichen, dass Betty ihr aus den Augen gehen möge.
    Betty hatte den Erklärungen von Alida Meier bis zu dem Moment zugehört, in dem der fremdländische Herr erwähnt worden war, der angeblich nach ihr gefragt hatte. Wer sollte das gewesen sein? Der einzige fremdländische Mann, den sie je getroffen hatte, war der junge chinesische Kaufmann im Haus der Asmussens, John Francis Jocelyn. War er das gewesen? Konnte das wirklich sein? Ihr Herz begann schneller zu schlagen. »Wer war es, der nach mir gefragt hat?«
    Alida Meier schüttelte verärgert den Kopf. »Niemand, dumme Liese. Es wird nur erzählt, weil man es dir zutraut. Das wollte ich damit sagen!« Die Stimme der Alten vibrierte. Und klang sie nicht auch etwas künstlich? So als ob Alida Meier ihr etwas vorlog? Betty nickte langsam. Dann verließ sie gesenkten Hauptes
die Küche. Sie zog wieder ihr altes grünes Reisekostüm an, hängte die Hausmädchentracht der Tollhoffs an einen der Haken, packte ruhig ihre kleine Habe in ihre Reisetasche und verabschiedete sich mit einem Kopfnicken von Alida Meier, die immer noch am Küchentisch kauerte.
    Als Betty kurze Zeit später auf die Straße trat, lag ein Hauch von Herbst in der Luft. Die Pappeln begannen, ihre Blätter einzurollen, und der Wind strich kühl über ihre Wangen. Eine schwarze Kutsche raste an ihr vorbei, sodass Betty zur Seite springen musste. Dann schlug sie den Weg zur Alster ein. Die Leere in ihr tat kaum noch weh. Sie spürte nur eine große Stille.

DRITTES BUCH
    Das Geheimnis des Merkur
    Der unsichtbare Freund
    Sonntag, den 30. August 1859,
Villa Remburg in Hamburg, bis Hafen von Hamburg,
Montag, 12. Dezember 1859, aufziehende Dämmerung.

1
    Sie hatte wenig Gepäck bei sich, nur die kleine alte Reisetasche. Dennoch war diese ihr auf dem ganzen Weg schwer erschienen, so als müsse sie bergauf gehen. Dabei war dieser Teil von Hamburg flach wie ein Pfannkuchen. Betty kämpfte sich tapfer voran.
    Sogar der Dienstboteneingang lag bei den Remburgs sie ben Stufen hoch, die Nebentreppe hinauf. Das wirkte sehr fein, fand Betty. Der Klingelzug für die Glocke war aus poliertem Messing. Die bestickte Gardine hinter der Scheibe bewegte sich ein wenig, dann öffnete

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