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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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stemmte sie sich selbst aus dem Sofa hoch und wackelte mit kleinen Schritten auf den Flur hinaus. »Mitkommen.«
    Genau wie Alida Meier es vorausgesagt hatte, ging es den Dienstboten bei den Remburgs äußerlich viel besser als bei den Tollhoffs. Im Vergleich mit dem zugigen Schlafraum neben dem Eiskeller waren die Mädchenzimmer bei Remburgs durch aus großzügig bemessen. Alle befanden sich in einem Nebengebäude hinter der Villa. Betty erfuhr, dass im Parterre die Köchin und die beiden Butler ihre Privaträume hatten, im ersten Stock gab es insgesamt vier Mädchenzimmer für je zwei Bedienstete. Betty konnte sogar allein eines der Zimmer beziehen, weil den Remburgs in letzter Zeit offenbar gleich zwei Mädchen abhandengekommen waren.
    Zwar schlief man auch hier auf Strohsäcken, die auf einfachen Holzgestellen lagen. Aber die Wände waren frisch gekalkt, der lackierte Holzboden sah sauber gefegt aus und durch das kleine Fenster mit der blau-weiß karierten Gardine fiel sogar ein Streifen Sonnenlicht hinein. Es duftete sauber, nach frischem Wasser und grüner Seife. Kleider wurden auch gestellt. Betty bekam ein derbes gestreiftes Kattunkleid und zwei grau-braune Schürzen für die grobe Arbeit, außerdem eine feinere Tracht aus ägyptischer Baumwolle mit einem dunkelgrauen Rock, einem braun gestreiften Mieder und einer hel len Leinenbluse, auf der offenbar das Wappen der Remburgs prangte. Anstelle eines Kleiderschrankes oder einer Kommode hatte sie nun zwei hölzerne Haken an der Wand. Diese seien ganz für sie alleine, betonte Jungfer Siebenschön nicht ohne Stolz.

    Die sechs anderen Mädchen hatten bis um vier Uhr nachmittags Ausgang. Als sie mit dem dritten Schlag der nahen Katharinenkirche lange vor der Zeit fast gleichzeitig zurückkehrten, bemerkte Betty gleich, dass sie alle aus einem anderen Holz waren als Fenja oder die hübsche Else bei den Tollhoffs. Sie begrüßten sie freundlich und leise, dann ging eine jede in ihr Kämmerchen und blieb dort, bis der Abend graute. Eine von ihnen, die sich als Mieke vorgestellt hatte, brachte ihr am späten Abend einen Teller mit einem Stück Roggenbrot und einer Schale Milch an die Schlafstatt. Betty sah mit einem Blick, dass Mieke ebenfalls aus Friesland kam. Sie trug eine schmale Schließe an ihrer Brosche, die in zarter silberner Filigranarbeit ein winziges, kaum erkennbares Schiff darstellte. Vermutlich war Mieke die Tochter eines Fischers. In Bettys Heimat hatten viele junge Mädchen Broschen oder kleine Schmuckstücke, die auf die Herkunft ihrer Väter verwiesen. Betty lächelte Mieke zu. Aber reden wollte Mieke nicht. Sie stellte ihr den Teller hin und dann ging sie wieder.
    Als Betty nachts erwachte, wusste sie nicht, ob sie wirklich geschlafen hatte oder nur gedöst. In der Ferne erklangen die Geräusche der Stadt.
     
    Wie sich in den folgenden Tagen herausstellte, war die Arbeit bei den Remburgs alles andere als leicht. Nur wenn ausnahmsweise einmal keine Gesellschaften stattfanden, hatten die Mädchen abends ab 8 Uhr frei. Wenn Gäste im Haus waren, kamen sie nicht selten erst nach Mitternacht zur Ruhe. Jungfer Siebenschön achtete zwar streng darauf, dass eine Stunde Mittagspause eingehalten wurde, das Essen war gut und reichlich und Betty mochte ihr Kämmerchen in dem kleinen Hinterhaus. Aber sie fühlte sich ständig müde. Anton sah sie in den ersten Tagen nur zu den Essenszeiten im Speisesalon. Schon nach
wenigen Tagen hatte Jungfer Siebenschön sie mit zum Servieren eingeteilt, weil sie anstellig war und flink und weil sie nicht so laut mit dem Meißener Porzellan schepperte, wie einige der anderen Mädchen das angeblich machten.
    An der langen Tafel im Speisesalon saßen selten weniger als ein Dutzend Tischgäste. Heinrich und Frieda Remburg präsidierten an den Schmalseiten des Tisches, wobei Frau Remburg von ihren beiden hageren Töchtern eingerahmt wurde. Neben Heinrich Remburg saß sein uralter Vater, der zwar noch aß, aber nicht mehr sprach. Wie eine verwitterte Pflanze sah er aus, fand Betty. Es war ihm nicht anzumerken, ob er von seiner Umgebung noch etwas wahrnahm. Nach und nach erfuhr sie, wer die anderen Tafelgäste waren: Da war der etwas schwerhörige Französischlehrer der Töchter, die ebenfalls ältliche Gouvernante, die Betty stets streng musterte, drei kräftige junge Damen aus dem Pommerschen, die einander ähnelten wie Möweneier und die die ledigen Töchter einer befreundeten Familie waren, außerdem der blasse Prokurist des

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