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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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sich die Tür und Betty blickte in ein rundes Gesicht mit Apfelbäckchen und zwei veilchenblauen Augen, die gleichmütig unter dem gekräuselten Rand der Haube hervorschauten.
    »Du bist dann wohl das Sorgenkind von Alida?«, fragte die Frau, die Betty sogleich als Jungfer Siebenschön erkannte. Sie betrachtete Betty ohne Eile, dann nickte sie und schob sie durch einen schmalen Flur bis in einen kleinen Raum. Hier waren die holzgetäfelten Wände weiß lackiert, in der Mitte des Raumes
standen ein Tisch, ein Gobelinsofa und einige kleine Stühle. Jungfer Siebenschön klopfte auf eines der Sofakissen, auf das sie offenbar zuvor in der Mittagsstunde ihr müdes Haupt gebettet hatte, und ließ ihren voluminösen Körper auf das Pols ter fallen. »Du kannst von Glück sagen. Wir nehmen sonst nur selten ein neues Mädchen an! Wer einmal hier ist, geht nicht gern wieder weg.«
    »Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich in Hamburg eher als Haustochter unterkommen würde.« Betty schluckte. Ihre Stimme war leise wie ein Hauch.
    Jungfer Siebenschön sah sie verwirrt an. »Was soll das denn nun wieder sein?«
    Betty presste die Lippen aufeinander. Ob sie Anton zur Sprache bringen sollte? Immerhin gehörte er in diesem Haus ja anscheinend zu den Herrschaften. Zumindest hatte er das immer gesagt. Würde das ihren Stand hier verbessern? Oder gleich das komplette Personal gegen sie aufbringen? Sie senkte den Kopf. Vielleicht war es besser, ihre Freundschaft zu Anton nicht gleich der Köchin auf die Nase zu binden. Wer wusste schon, ob die Köchin diesen Kontakt nicht unterbinden würde. Und immerhin gehörten die kleinen Besuche bei Anton und Aberdira zu Bettys einzigen Vergnügungen. So war es wohl klüger, wenn ihre Bekanntschaft einstweilen geheim bliebe, bis sich die Dinge geklärt hatten. Ob Frau Remburg sie wiedererkennen würde, wenn sie sie hier im Hause sah? Erinnerte sie sich an die peinliche Begegnung an einem ihrer ersten Tage an der Alster? Betty hoffte, dass sie damals so gewirkt, wie sie sich gefühlt hatte: als sei sie aus Luft.
    Jungfer Siebenschön räusperte sich. »Ich weiß nicht, wohin dich deine Gedanken gerade führen, junges Kind, aber ich weiß, dass ich erwarte, dass du deine Aufgaben hier sorgfältig erledigst und dass du fleißig und reinlich bist. Die Remburgs führen
ein großes Haus, sie besitzen eines der größten Teehandelshäuser in Hamburg, und in China haben wir immer noch den Opiumkrieg! Es kommen neue Zeiten auf uns alle zu. Hier arbeitet jeder. Angefangen vom Seniorchef über den gnädigen Herrn bis hin zu dem jungen Herrn aus Emden. Frau Remburg führt ein großes Haus mit zwei eigenen Salons. Und auch die beiden jungen Damen, Fräulein Ricarda und Fräulein Regina, treten schon in die Fußstapfen ihrer Mutter und haben bereits ihre eigenen Verpflichtungen. Regina ist vor einem Jahr erst von einer Tuberkulose genesen und nimmt doch schon wieder alle ihre Pflichten wahr. Für Träumereien ist bei uns kein Platz.« Sie senkte die Stimme. »Vor dem Wohlstand kommt die Pflicht. Das darfst du nicht vergessen. Und dass du mir nicht nach den männlichen Herrschaften schaust! Die gnädige Frau wird sehr ungehalten, wenn Dienstboten sich gegenüber ihrem Gatten aufspielen.« Das Thema schien ihr selbst unangenehm zu sein, denn ihr pfannkuchenweiches Gesicht errötete, als habe man Himbeerwasser darübergegossen. »Alida hat da so etwas angedeutet, dass der junge Herr Tollhoff... Ich erwarte, dass du dich deinem Stande gemäß aufführst und ausschließlich tust, was dir gesagt wird.« Sie zögerte. »Und du bindest deine Haare fester zusammen und trägst immer das Häubchen, verstehst du? Fleiß und Bescheidenheit sind die Zier eines Mädchens.«
    »Ja, Jungfer Siebenschön«, antwortete Betty folgsam. Sie hatte der langen Litanei kaum folgen können. Der kleine Raum war warm und freundlich und Betty fühlte sich mit einem Male unendlich müde. Sie würde alles tun, was man von ihr erwartete. Wenn sie sich nur bald ein wenig ausruhen konnte. Dabei hatte sie nicht einmal das Gefühl, körperlich müde zu sein. Betty Henningson war in ihrer Seele erschöpft.
    Jungfer Siebenschön schüttelte ungnädig den Kopf. »Nun nicht hier herumsitzen und Maulaffen feilhalten. Aufstehen
und Tasche auspacken. Dann gehst du nicht so spät schlafen. Morgen früh um halb fünf ist hier die Nacht vorbei.« Sie hob ihre kleinen weichen Hände und fuchtelte in Bettys Richtung, als wäre sie ein lästiges Insekt. Dann

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