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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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passieren würde. Wäre es in so einem Falle überhaupt möglich, Anton irgendwo ausfindig zu machen, damit er ihre Geschichte bestätigen konnte? Was würde mit Anton geschehen, wenn Remburgs erführen, dass er einer fremden Person das Silber anvertraut hatte? Und würde ihr irgendjemand auf der Welt glauben, dass sie sich auf die Qualität von Tee verstand? Wäre sie überhaupt glaubwürdig? Betty schauderte es noch heute bei dem Gedanken, dass alle Gäste der Remburgs sie für eine Diebin und für ein leichtes Liebchen hielten. Für den Bruchteil eines Moments streifte ihr Gedanke auch John Francis Jocelyn. Sie sah ihn vor sich, wie seine dunklen Augen auf ihr geruht hatten. Allein bei der Erinnerung begann ihr Herz zu klopfen.
    »Du darfst mich nicht verraten, Magdalene.«
    »Natürlich nicht.« Magdalene nickte. »Wie spät ist es? Es muss doch schon mitten in der Nacht sein. Wenn alles ruhig ist, schleiche ich mich nach oben und gehe in meine Kajüte. Und wenn mich jemand fragt, wo ich war, werde ich sagen, ich hätte in der Tampenkiste an Bord gelegen und geschlafen. Als wir am Kap waren, habe ich den Küchenjungen gesehen, wie er gerade daraus hervorkam. Der hatte da auch wohl ein Schläfchen gemacht.«
    Betty nickte. So naiv Magdalene auch wirkte, die Idee war nicht schlecht. Zumindest würde keiner etwas dagegen sagen können. Betty war sich sicher, dass alles viel leichter würde, wenn sie erst einmal in Kanton von Bord gegangen wäre. Sie
würde ihre Herrenbekleidung anziehen, ihr Silber nehmen und ihrer Wege ziehen. Sie hatte jetzt schon fast drei Viertel ihrer Reise hinter sich. Sie fühlte sich stark und sie blickte gelassen in die Zukunft. Es konnte ihr nicht mehr viel passieren. Das dachte sie zumindest. Sie gähnte und legte sich wieder in ihre Koje. Es war gut, noch ein wenig zu schlafen.

3
    Der Friede in ihrer Seele dauerte keine drei Stunden, dann bollerte es abermals an ihre Tür. Das Schiff rollte mit den Wellen. Offenbar machten sie tüchtig Fahrt. Und wärmer war es geworden. Mittlerweile konnte Betty auch unter Deck auf die wollene Strickjacke verzichten, die sie in den vergangenen Wochen immer über dem Kleid getragen hatte. Sie hatte sich eben angekleidet und sich die Haare gekämmt, als die Tür plötzlich knarrte und aufgestoßen wurde. Vor ihr stand ein Mann mit einem für einen Kapitän erstaunlich wenig gegerbten Gesicht. Er starrte sie an, dann schloss er die Tür hinter sich und ließ sich auf den drehbaren Holzstuhl vor dem kleinen Tisch fallen. »Darum also kommen Sie nicht ans Tageslicht! Ich habe gerade gestern mit dem Steuermann darüber gesprochen, dass wir noch niemals einen Passagier an Bord hatten, der so lange unter Seekrankheit litt. Sie sind eine Frau!«
    Betty blickte dem Kapitän gerade ins Gesicht. »Das ist noch lange kein Grund, in meine Kabine zu kommen, ohne dass ich Sie dazu aufgefordert habe.«
    Der Kapitän ging überhaupt nicht auf sie ein. »Wer sind Sie? Und, vor allem, wo ist der junge Herr, dieser Anton Asmussen?« Er strich sich durch seinen Bart. »Ich habe ihn einmal gesehen, beim hanseatisch-atlantischen Neujahrsempfang, da
hatte der alte Remburg ihn im Schlepptau. Das war wirklich ein Milchbübchen. Kein Wunder, dass Sie ihm überlegen waren.« Er maß ihren Körper mit den Augen ab. »So groß, wie Sie sind. Was haben Sie mit ihm gemacht? Ach, ich will es gar nicht wissen. Und alles wegen dem bisschen Silber?« Er zeigte auf die beiden Kistchen neben Bettys Koje. »Lohnt sich das denn? Und lebt er überhaupt noch?«
    Betty starrte den Kapitän immer noch an. Sie hatte nicht die Absicht, ihre Pläne mit ihm zu teilen. Zuerst musste sie nachdenken. Gründlich nachdenken.
    »Wir haben übrigens Kurs auf Kalkutta genommen. In Kalkutta sitzen die Engländer, die sind zwar für Mörderinnen aus unseren Gefilden nicht zuständig, aber ein chinesisches Gefängnis möchte ich Ihnen dennoch ersparen. Ich habe mal gesehen, was die mit einem einfachen Dieb machen. Der konnte jedenfalls hinterher nicht mehr mit Stäbchen essen. Der war froh, wenn ihm jemand die Schnabeltasse hinhielt!«
    »Wer hat Ihnen gesagt, dass ich hier bin? Magdalene? Sie weiß ganz genau, dass ich keine Verbrecherin bin.«
    Der Kapitän zuckte die Schultern. »Aber Sie heiraten auch keinen Prinzen aus China, oder? Magdalene wusste allerdings nicht genau, ob es sich vielleicht nicht auch um einen Prinzen aus Indien handelt. Jedenfalls haben Sie das einfältige junge Ding auch angelogen.

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