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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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oder ob nicht. Er schielte zum Schiff hinüber, aber von dort kam auch kein Rat. »Ich habe dem jungen Fräulein immer das Essen in die Vorkammer gebracht«, sagte er nun. »Ich habe es geahnt, dass Sie kein junger Mann sind. Es roch dort immer so gut.« Er schien zu spüren, dass dieses kein Thema war, über das man sich mit einer jungen Dame verständigen sollte. »Die reichen Leute hier gehen immer in das Auckland Hotel. Soll ich Ihnen eine Kutsche rufen?«
    Betty schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht hierbleiben.« Sie zögerte. Sie konnte es selbst kaum glauben, was ihr gerade in den Sinn kam. Hatte diese Idee nicht schon in ihrem Kopf
geschlummert, seit sie vom Kapitän in der Kabine entdeckt worden war? Oder hatte der Gedanke nicht sogar schon tief auf dem Grund ihres Bewusstseins geruht, seit sie John Francis Jocelyn das letzte Mal gesehen hatte? Er war nicht in Darjeeling, da war sie sich ganz sicher. Anton hatte ja erzählt, dass er nach Amerika gereist sei. Und wenn doch, dann würde er sie nach ihrer letzten Begegnung in der Diele der Remburgs wohl kaum wiedersehen wollen. Die Röte stieg ihr ins Gesicht, sobald sie an diese peinliche Situation dachte. Aber hatte Francis nicht sofort seinen Säbel gezogen? Etwa, um sie zu verteidigen? Oder hatte er nur wegen des Handgemenges den Schutz des Hauses sicherstellen wollen, so wie jeder Gentleman das getan hätte? Und doch - hatte nicht Anton erzählt, dass er sich nach ihr erkundigt habe?
    »Ich will weiter bis nach Darjeeling«, sagte Betty und ihre Stimme klang fester denn je. »Tee einkaufen!«
    Der junge Seemann schenkte ihr einen mitleidigen Blick. »Da sind Sie hier aber ganz falsch, junge Dame. Tee kommt aus Assam«, seine Stimme nahm etwas Leierndes an, »oder aus China, oder aus Java, wenn man ein Holländer ist! Vielleicht kommt er heute auch schon aus Japan. Aber nicht aus Darjeeling. Da müssen Sie etwas verwechseln, junge Dame. Da oben in Darjeeling sind nur die Spinner, die hier irgendwas Neues anpflanzen wollen, was nun mal anderswohin gehört. Das liegt auf siebentausend Fuß Höhe, glauben Sie mir, da wollen Sie nicht hochklettern, Sie nicht. Dort obenhin schicken die Engländer ihre Frauen, wenn es hier unten zu heiß ist. Oder wenn die Kinder der Reichen mal Husten haben, dafür ist es auch gut. Da sind ein paar große Paläste und Villen und sonst nur eine einzige kleine Pension für die schottischen Teepflanzer, die keine Frau abgekriegt haben, Haus Windamere heißt die Bude. Wir hatten mal einen Smutje, der vorher da durch den
Dschungel gestapft ist, bevor er auf der Frieda Maria gekocht hat. Der kochte immer alles à la Windamere, wenn es besonders gut werden sollte. Aber jetzt ist da oben ohnehin niemand. Die Engländer sind alle hier unten. Der März ist der einzige Monat, wo man es hier unten aushalten kann!«
    Er machte eine Pause und sah Betty an, als ob die Sonne ihr den letzten Verstand weggebrannt habe. »Sie sollten jetzt in ein Hotel gehen. Vielleicht nicht gerade in das Auckland Hotel, aber da hinten die Straße hinunter Richtung Rishra, da ist das Griechenviertel, da sind die Hotels billig. Und dann warten Sie auf eine Passage zurück nach Hamburg. Für eine Frau alleine dürfte es kein Problem sein, ein Schiff zu bekommen! Und zwar eine hübsche Koje! Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Glück«, presste er hervor. Dann kletterte er eilig in sein Boot zurück.
    Einige der einheimischen Händler an den Kais hatten den Wortwechsel verfolgt, das merkte Betty. Aber die meisten schienen sie zu ignorieren. Nach und nach füllte sich der kleine Platz mit immer mehr Menschen. Viele von ihnen sahen aus wie Europäer, wenngleich Betty sie keiner bestimmten Nationalität zuordnen konnte.
    Niemals zuvor hatte Betty eine so schöne Stadt gesehen. Die hohen Bäume mit den riesigen aufgefächerten Blättern, das mussten Palmen sein. Allerdings spendeten sie fast überhaupt keinen Schatten, nur waren die langen Lichtstreifen unter ihnen etwas weniger gleißend als drum herum. Betty schwindelte es. An einem Ort wie diesem musste man eigentlich immer eine Wasserflasche in der Hand haben. Sie konnte sich nicht erinnern, schon einmal derartig viel Durst gehabt zu haben. Sie setzte sich auf ihren großen Koffer und stellte je einen Fuß auf einen der Silberkoffer, um sich etwas auszuruhen. Sie würde nachdenken müssen, gründlich nachdenken.
Aber auch dazu war es im Grunde zu heiß. Fast schon sehnte sie sich nach der Dunkelheit ihrer Kabine

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