Die Teeprinzessin
hatte noch niemals zuvor einen solchen prächtigen Raum gesehen.
Dayun lächelte. »Es ist Ihr Haus , Miss.« Er lächelte. »Sie können es sich morgen früh anschauen, im Sonnenlicht ist es ganz besonders reizend. Es hat vor vielen Jahren einer Prinzessin gehört, daher noch der Name des Anwesens, Lizas Garden. Wenn Sie sich etwas ausgeruht haben und noch etwas unternehmen wollen, erwartet Mister Jocelyn Sie in seinem Haus zu einem nächtlichen Dinner auf der anderen Seite des Gartens. Läuten Sie einfach, wenn Sie einen Wunsch haben. Ihre Dienerschaft kann es gar nicht erwarten, Sie kennenzulernen.«
Und ich kann es gar nicht erwarten, Francis wiederzusehen, dachte Betty und spürte, wie ihre Knie nachgaben. Sie war todmüde und hellwach zugleich, ihr Herz raste, sie hatte Durst und Hunger und in ihrem Bauch kribbelte es.
Dayun zog sich nach seinen Ankündigungen eilig zurück. Betty stand einen Moment lang unschlüssig neben ihrem leeren Gepäck. Mit der nächsten Bewegung, das ahnte sie, würde ein anderes Leben beginnen.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Draußen vor den Fenstern sirrten die Grillen. Ein Schatten huschte über die Decke. Da löste sie sich aus ihrer Starre und begann, das Zimmer zu erkunden. Eine Tür führte in ein Ankleidezimmer, in dem bereits ihre Kleider an Bügeln schaukelten und einige der Roben sogar auf Schneiderpuppen gezogen waren. Eine andere Tür führte in einen Nebenraum, der fast ebenso groß war wie das Schlafzimmer und der offenbar als Baderaum diente. Im Badewasser in der großen Wanne spiegelten sich die Lichter zarter Kerzen, auf dem Wasser schwammen weiße und gelbe Blüten von Orchideen. Das Innere der Badewanne war ganz mit einem feinen roséfarbenen Stoff ausgekleidet, der an den Seiten über den Wannenrand hing. Es sah aus, als ob man im Inneren einer Rosenblüte baden sollte, und mit Rosenöl war auch das Wasser parfümiert. Der Duft raubte ihr die Sinne.
Sie hatte sich eben ausgekleidet, als die Tür aufschwang und eine junge Frau in einem blau gemusterten Sari erschien. Ihr Name sei Sikki und sie würde Betty nun beim Baden helfen. Im Gegensatz zu den anderen Mädchen, die Betty auf dieser Reise gesehen hatte, wirkte Sikki ausgesprochen kräftig. Und gleich darauf wurde klar, warum sie das war. Betty war davon ausgegangen, dass die Badewanne der Körperreinigung diente. Aber so einfach schien die Sache nicht zu sein.
Sikki schob Betty mit sanftem Druck in eine Ecke des Baderaumes und bedeutete ihr, sich auf eine Art Holzrost zu stellen. Auf einem Tisch daneben standen mehrere große silberne Karaffen. Wie heiß das Wasser darin war, sah man ihnen von außen nicht an. Fast kochte es noch. Sikki war auf einen kleinen Hocker geklettert und hatte Betty den Inhalt des ersten Kruges über den Kopf geschüttet, bevor Betty auch nur einen einzigen Laut machen konnte. Dann hielt sie plötzlich zwei Bürsten in den Händen, rieb sie über ein riesiges Seifenstück und begann, Betty von oben bis unten abzuschrubben. Sikkis kräftige Figur kam nicht von ungefähr. Sie schien Bärenkräfte zu haben und führte die beiden harten Bürsten mit der Gewissenhaftigkeit einer Pedantin.
Sogar die Haare kamen mit an die Reihe, Strähne für Strähne. Es folgte ein Schwall kochend heißes Wasser. Dann ging die ganze Prozedur wieder von vorne los, dieses Mal aber kam keine Seife zur Anwendung, sondern ein warmes Öl, das einen eigenartigen Nussduft verströmte. Während Betty zu Anfang noch steif und voller Abwehr dagestanden hatte, schien der Ölguss ihre Kräfte zur Gegenwehr völlig aufgeweicht zu haben. So ließ sie es geschehen, dass Sikki sie abermals abseifte und bürstete, mit einem weiteren Öl übergoss, wieder einen Schwall heißes Wasser über ihren Körper schüttete und sie schließlich noch mit einer Substanz einrieb, die sich wie Kuchenteig anfühlte
und auch so roch. Wieder kochendes Wasser, und zur Abwechslung eine Abreibung mit kleinen leichten Tüchern.
Dann war Sikki mit ihrem Werk zufrieden und sagte, dass nun das Baden dran sei. Betty konnte nicht glauben, dass sie immer noch nicht fertig war. Sie streckte eine Hand aus und musste feststellen, dass dieses Wasser im Gegensatz zu dem in den Karaffen nicht zu heiß, sondern vielmehr zu kalt war. Aber gleich darauf spürte sie, wir gut es ihr tat, ihren nackten Körper in das kühle klare Wasser gleiten zu lassen. Zuerst lag sie nur bewegungslos wie ein Blatt auf dem Wasser, dann aber begann sie
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