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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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allem nicht von den Schlangen und Spinnen. Er befürchtet wohl, dass Sie dann gleich wieder abreisen könnten.«
    Betty spürte, wie ein Schauder über ihren Rücken lief. Sikki schien es auch zu spüren. Sie hielt sich sogleich die Hand vor den Mund. »Bitte verzeihen Sie mir, Miss!«
    »Es ist gut. Ich habe keine Angst vor irgendwelchem Getier!« Betty dachte mit Schaudern an den Aal, der bei Tollhoffs
aus der Wasserleitung gerutscht war. »Nur vor Wassertieren fürchte ich mich etwas!«
    Während sie plauderten, waren sie durch das Portal in den Garten gelangt. Zwei bewaffnete Diener lösten sich aus dem Dunkel und gingen voran, ein weiterer folgte ihnen. So gefährlich konnte der Garten unmöglich sein, dachte Betty, erschrak aber doch, als direkt vor ihren Füßen eine faustgroße schwarze Spinne über den Weg huschte, die der Aufmerksamkeit ihrer Begleiter offenbar entgangen war.
    Die Nacht war von smaragdenem Grün. Es war immer noch sehr warm. Ein Nachtvogel segelte durch die Luft. Oder war das ein großer Falter? Der Lichtschein aus der hell erleuchteten Villa tauchte den Garten in einen silbrigen Glanz. Es duftete nach Pfefferblüten und nach Orchideen, nach Jasmin und Magnolien, nach den dicken Rhododendren und nach Orangen, und, ganz zart, von irgendwoher, nach einem Hauch von Tee. Während sie durch den Garten lief und unter ihren Füßen den sanft schwingenden Grasteppich spürte, blickte sie nach oben zu den Sternen. Es waren wohl dieselben wie die in ihrer Heimat, und doch sah sie mehr von ihnen, sie waren heller und goldener und sie schienen jetzt auch anders zu stehen.
    Als sie aufblickte, sah sie ihn. John Francis Jocelyn stand auf der Terrasse und blickte ihr entgegen.

FÜNFTES BUCH
    Die Tage der Venus
    Der Garten der schlafenden Prinzessin
    Lizas Garden, Darjeeling,
Dienstag, den 11. März 1860, 3 Uhr morgens,
bis Straße von Malakka, Sonntag, den 29. Juni 1860, Mitternacht.

1
    Betty wusste nicht, wie lange sie so dagestanden hatten. Er hielt ihre Hände und blickte sie nur an. Konnte es sein, dass seine Augen immer dunkler wurden? Der Garten lag in tiefer Stille, nicht einmal die Grillen zirpten mehr, es war, als hielte die Natur den Atem an.
    Da ließ er sie plötzlich los, griff in die Tasche seiner Jacke und holte einen kleinen Gegenstand hervor. Der blaue Stein schimmerte im Kerzenlicht, fast sah es so aus, als würde der dargestellte Hase sich bewegen.
    »Die Haarspange!« Betty spürte plötzlich den Kloß in ihrer Kehle.
    Francis lächelte. Er streckte die Hände aus und setzte ihr die Spange ins Haar. »Ich nehme einmal an, dass Sie sie vermissen. Sie befand sich zuerst unter den Habseligkeiten der Hausangestellten einer unkultivierten Familie in Hamburg und kurz darauf in der Schatulle eines barbarischen Menschen, den ich gern getötet hätte, wenn ich nur gewusst hätte, ob ich damit nicht Ihr Leben gefährde.« Er lächelte wehmütig. »Es tut mir
leid, dass ich Sie nicht gefunden habe und dass ich Ihnen den beschwerlichen Weg hierher zumuten musste!«
    Betty schüttelte den Kopf. Es fiel ihr schwer, sich auf das zu konzentrieren, was Francis sagte. Seine dunkle Stimme klang immer noch so weich wie schwarzer Samt. Wie hatte sie es nur ertragen können, sie über eine so lange Zeit nicht zu hören? Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. »Aber woher wussten Sie denn, dass man mich an Bord entdecken und in Kalkutta aussetzen würde?«
    »Nun, ich wusste, dass Sie an Bord waren. Leider habe ich es aber zu spät erfahren. Diesen Anton zu finden, nachdem er das Haus der Remburgs verlassen hatte, war nicht leicht, und sein Freund Aberdira ist wirklich ein harter Brocken. Dayun hat es sehr schwer gehabt, ihm die entscheidenden Informationen zu entlocken.«
    Betty erschrak. »Sie haben Aberdira doch nicht... etwas angetan?«
    Francis lachte laut auf, wurde aber gleich darauf wieder ernst. »Nein. Das habe ich nicht und das würde ich auch niemals tun. Zudem hat Dayun andere Methoden, Dinge zu er fahren. Er hat übrigens auch Ihre Haarspange zurückgeholt.« Er nahm abermals Bettys Hand, was ihre Fähigkeit, klar zu denken, nicht gerade erhöhte.
    »Dass Kapitän Ruster nach Kalkutta kommen würde, war mir klar«, fuhr Francis fort. »Er findet fast immer einen Grund, um hier anzulegen, und sei es nur für kurze Zeit. Er ist einer der Kapitäne, die während der Opiumkriege eine unrühmliche Rolle gespielt haben, unrühmlich aus der Sicht von China, rühmlich aus englischer Sicht.

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