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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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in seiner schwarzen Kutsche durch Hamburg gefahren und habe plötzlich das Gefühl gehabt, sie gesehen zu haben. Sie habe ein grünes Reisekostüm getragen und eine Tasche in der Hand. Er habe die Kutsche sofort wenden lassen, Betty aber nicht mehr finden können.
    »Vielleicht war das noch nicht unsere Zeit.« Betty spürte, wie sein Blick auf ihr ruhte. Aber er schwieg dazu.
    Nach dem Dinner nahmen sie im Salon noch eine Tasse Tee,
von dem Francis sagte, dass es der erste Tee der Saison sei, noch so rar und fein, dass er nur in der Stunde vor der Morgendämmerung gepflückt werden dürfe. Man nenne ihn auch den »Wei ßen Tee«.
    »Oh, davon muss ich ein Kistchen nach Emden schicken, zu Frau von Mux, der Großtante des Teehändlers Asmussen. Sie träumt davon! Wie es ihr wohl gehen mag? Sie war nachgerade abhängig vom Tee. Sie musste immerzu Champagner trinken, wenn sie keinen Tee bekam, und das war nicht sehr gut für sie. Ich habe ihr fest versprochen, ihr etwas Tee zu schicken, wenn sich die Gelegenheit dazu findet.« Betty wurde auf einmal ganz aufgeregt. »Jetzt muss ich mein Versprechen unbedingt einlösen!«
    Francis sah sie liebevoll an. »Hat das eventuell bis morgen früh Zeit? Oder besser noch bis zum April, bis zur regulären ersten Pflückung? Und jetzt probieren Sie bitte den Tee!«
    Betty hatte die Tasse die ganze Zeit in der Hand gehalten, und obwohl sie schon wusste, dass man hier den Tee nicht dampfend heiß trank, war sie doch erstaunt, wie viel köstlichen Duft die kaum handwarme hellgrüne Flüssigkeit verströmte. Sie schmeckte blumig und leicht, und Betty glaubte, den Morgentau herauszuschmecken.
    »Und könnte man sagen, dass dieser Tee auch eine recht ordentliche Qualität hat?« Francis’ Augen blitzten.
    »Sie haben mit Mister Tiliri gesprochen?«
    »Nein, das nicht. Er hat mir einen kleinen Brief geschrieben, nachdem Sie in Kalkutta abgefahren waren. Der Brief kam nur wenige Stunden vor Ihnen hier an. Tiliri fand es ausgesprochen lustig, dass Sie den besten Tee, nachdem sich hier die Könige verzehren, als ›recht ordentlich‹ bezeichnet haben. Es wundert mich ohnehin, dass er Ihnen davon abgegeben hat. Das wenige,
das ich ihm gelegentlich zukommen lasse, hütet er wie einen Schatz.«
    »Als ich dort ankam, trank er einen dunklen, starken, fermentierten Assam aus dem vergangenen Jahr, mit einem Hauch von Bitterkeit und einem etwas zu stark hervorstechenden Aroma.«
    Francis sah sie bewundernd an. »Ihre Gabe, Tee zu erspüren, beeindruckt mich sehr.«
    »Dieser weiße Tee ist sehr gut, aber vielleicht hätte man ihn doch lieber etwas später pflücken sollen. Er duftet zart nach jungen Johannisbeeren. Es wäre schön, wenn dieser Duft noch etwas stärker herauskäme.« Sie sah ihn an. »Aber ich habe keine Ahnung, wie man das anstellen könnte!«
    Francis nahm ihre Hand und küsste sie leicht. Betty hatte das Gefühl, dass ihr Herzschlag aussetzte. Unterdessen war der Nachtwind stärker geworden, ein Hauch von Kühle drang durch die Gazefenster. Einer der Diener näherte sich mit einem leichten Seidenschal für Betty. Francis erhob sich und nahm ihm den Schal ab, um ihn Betty selbst um die Schultern zu legen. Das weiche Gewebe umhüllte ihre Schultern wie eine Wolke. »Es wird bald hell werden, und Sie müssen noch etwas Schlaf bekommen, damit ich Ihnen morgen Lizas Garden zeigen kann. Diesen Augenblick habe ich seit fast zwei Jahren herbeigesehnt.« Er reichte ihr seine Hand. »Ich werde Sie selbst in Ihr Haus begleiten. Bitte versprechen Sie mir, dass Sie nicht allein im Garten herumstreifen werden.«
    »Aber warum denn nicht?« Betty lachte. »Wegen der wilden Tiere?«
    »Auch.« Er zögerte. »Es wird eine Weile dauern, bis Sie alle Geheimnisse von Darjeeling ergründet haben.«

2
    Als Betty am folgenden Morgen erwachte, stieß Sikki gerade die großen Fensterläden auf. Betty blinzelte in die Morgensonne. Das Bett, in dem sie lag, war das größte, das man sich nur vorstellen konnte. Es mochte mehr als sieben Fuß lang und ebenso breit sein und Betty kam sich in der Mitte liegend zum ersten Mal in ihrem Leben winzig vor. Sie musste sich zwei Mal um die eigene Achse rollen, um den Rand zu erreichen und auf die Füße zu springen.
    »Nein, nein!« Sikki rang die Hände. »Nicht mit nackten Füßen hier herumlaufen!« Sie kniete sich vor ihr hin und zog ihr ein paar leichte seidene Schuhe an. »Und nicht selbst anziehen! Es gibt hier schwarze Skorpione, wie in allen schönen

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