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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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übernehmen.«
    Fionas Augen glänzten. »Das ist eine Wucht«, sagte sie. »Mein Pa ein Führer! Ich platze vor Stolz!« Sie begann zu kichern. »Wenn ich das Ma erzähl, fällt sie in Ohnmacht. Pater Deegan sagt, die Gewerkschafter sind ein Haufen gottloser Sozialisten. Du hast jetzt praktisch Hörner auf und einen spitzen Schwanz. Sie wird ihren Rosenkranz zweimal beten müssen.«
    Paddy lachte. »Das kann ich mir vorstellen, daß Deegan das sagt. William Burton hat ihm gerade hundert Pfund für die Reparatur des Kirchendachs geschenkt.«
    »Was mußt du jetzt tun?«
    »So viele Männer wie möglich dazu kriegen, daß sie beitreten. Regelmäßige Versammlungen abhalten und Beiträge einsammeln. Und mit Tillet und den anderen Führern zu Versammlungen gehen.« Er hielt inne, um einen Schluck Tee zu trinken. »Vielleicht kann ich sogar meine eigene Tochter dazu kriegen, in die Gewerkschaft einzutreten.«
    »Ach, Pa«, seufzte Fiona. »Fang nicht wieder damit an. Du weißt doch, daß ich jeden Penny für meinen Laden sparen muß. Da bleibt nichts übrig für Beiträge.«
    »Du könntest ja erst mal nur zu Versammlungen gehen. Du müßtest gar nichts abgeben …«
    »Pa«, unterbrach sie ihn, entschlossen, seine Werbung für die Gewerkschaft im Keim zu ersticken, bevor alles wieder in einen Streit mündete. »Ich werd nicht für immer Fabrikarbeiterin bleiben. Erinnerst du dich, als wir klein waren – ich und Charlie? ›Man muß einen Traum haben‹, hast du uns immer gesagt. ›An dem Tag, an dem ihr zu träumen aufhört, könnt ihr euch gleich einsargen lassen, dann seid ihr so gut wie tot.‹ Dein Traum ist die Gewerkschaft, und sie bedeutet dir viel. Aber mein Traum ist, einen Laden zu haben, und der bedeutet alles für mich. Also, geh du deinen Weg und ich den meinen … in Ordnung?«
    Paddy sah seine Tochter lange an, dann legte er seine Hand auf die ihre. »In Ordnung, du eigensinniges Gör. Ist noch Tee in der Kanne?«
    »Ja«, antwortete Fiona, goß ihrem Vater nach und war erleichtert, daß die Diskussion nicht fortgesetzt wurde. »Ah! Wir haben einen Brief von Onkel Michael bekommen!« sagte sie aufgeregt. »Tante Molly erwartet ein Kind! Er schreibt, der Laden läuft gut. Möchtest du ihn lesen?«
    »Ich les ihn am Morgen, Fee. Im Moment seh ich nicht gut genug dafür.«
    »New York hört sich toll an«, sagte Fiona und dachte an ihren Onkel in Amerika, an seine Frau und ihren hübschen kleinen Laden. Letztes Jahr hatte er ihnen ein Bild geschickt, wie sie beide davorstanden. M. FINNEGAN – LEBENSMITTEL stand darauf. Die Vorstellung, daß ihr Onkel einen Laden besaß, erweckte den Ehrgeiz in ihr, ebenfalls einen solchen Laden ihr eigen zu nennen. Vielleicht lag es ihr im Blut. »Meinst du, ich sollte ihm schreiben und mich erkundigen, wie man einen Laden führt?« fragte sie.
    »Na sicher. Er wär geschmeichelt. Wahrscheinlich schreibt er dir einen zwanzigseitigen Brief zurück. Michael redet doch so gern.«
    »Ich spar ein paar Pennys für Papier und Briefmarken …«, antwortete Fiona gähnend, während ihre Stimme abbrach. Ein paar Minuten zuvor hatte die Dringlichkeit, ihren Vater ins Haus zu kriegen, bevor er die ganze Straße aufweckte, sie hellwach werden lassen. Aber jetzt, am Kamin sitzend und von innen und außen gewärmt, wurde sie wieder müde. Wenn sie nicht bald ins Bett zurückging, wäre sie erschöpft, wenn ihre Mutter sie und die anderen zur Arbeit weckte.
    Ihre Ma ging jeden Morgen zur Messe, und Seamie und Eileen begleiteten sie. Ihr Pa ging nie. Er machte aus seiner Abneigung gegen die Kirche keinen Hehl. Nicht einmal zur Taufe seiner Kinder war er mitgegangen, das mußte Onkel Roddy übernehmen. Sie fragte sich, wie ihre Mutter es geschafft hatte, ihn zur Hochzeit in die Kirche zu kriegen.
    »Pa?« fragte Fiona schläfrig und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger.
    »Hm?« murmelte Paddy, den Mund voller Toast.
    »Warum gehst du nie in die Kirche mit uns?«
    Paddy schluckte. Er starrte in die Glut. »Das ist eine schwierige Frage. Wahrscheinlich weil mir die Vorstellung nicht gefällt, von ein paar alten Männern in langen Kleidern gesagt zu kriegen, was ich zu tun hab oder wie ich’s zu tun hab, aber da steckt noch mehr dahinter. Dinge, die ich weder dir noch deinem Bruder je erzählt hab.«
    Fiona sah ihren Vater überrascht und gleichzeitig ein wenig ängstlich an.
    »Du weißt, daß dein Onkel Michael und ich als Jungen in Dublin gewohnt haben. Und daß wir von der

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