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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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angeblich Namen und Adressen von Iren in New York, damit neue Einwanderer ihre Verwandten finden können. Da geh ich heut nachmittag hin. Wahrscheinlich bleib ich auf der East Side, bevor ich’s auf der West Side probier.«
    »Das ist eine gute Idee«, antwortete Brendan, der immer noch verzweifelt an seinem Schnitzel sägte. Während er sprach, brach sein Messer entzwei. Der Griff fiel auf den Rand seines Tellers, kippte ihn um, und sein Essen landete auf dem Tisch. »Verdammter Mist!« fluchte er. »Das ist doch kein Schweineschnitzel, sondern eine Schuhsohle!«
    Trotz seiner Niedergeschlagenheit lachte Joe. Angewidert schob Brendan sein Essen mit einer Serviette wieder auf den Teller zurück.
    »Da«, sagte Joe und schob seinen eigenen Teller über den Tisch. »Nimm mein’s. Wie ist’s dir ergangen? Hast du heut morgen Glück gehabt?«
    »Vielleicht«, sagte Brendan kauend. »Gestern abend hab ich in einer Bar einen Typen kennengelernt. Er hat gesagt, ein Mann namens McClane baut eine Untergrundbahn. Sie stellen jetzt zweihundert Leute ein und in einem Monat noch mal zweihundert. Sie suchen nach Leuten mit Bergwerkserfahrung, um Dynamit zu legen und Tunnel zu graben. Das hab ich zwar noch nie gemacht, aber was den Umgang mit Pickel und Schaufel anbelangt, nehm ich’s mit jedem auf.«
    »Meinst du, du kriegst die Stelle?«
    »Ich glaub schon. Der Vorarbeiter hat gesagt, ich gefall ihm. Morgen früh soll ich wiederkommen. Hoffentlich wird’s was. Auf den meisten Baustellen, wo ich gewesen bin, hat’s geheißen: ›Tut uns leid, wir haben nichts für dich, Paddy‹, oder: ›Wir brauchen Männer und keine Esel, Mickey.‹ Wirkliche Witzbolde, diese Scheißkerle.«
    »Mister, haben Sie was zu erledigen? Zigaretten holen? Schuhe putzen?« Ein etwa zehnjähriger Junge in zerlumptem Hemd, geflicktem Overall und barfuß war an ihrem Tisch aufgetaucht.
    Joe griff abwesend nach einem Geldstück in die Tasche, um den Jungen abzuwimmeln. Doch der sah ihn verächtlich an. »Ich bin kein Bettler. Haben Sie einen Job für mich?«
    Joe versuchte, sich etwas zu überlegen, als Brendan sagte: »Warum läßt du ihn nicht nach Fiona suchen?«
    »Brendan, das ist doch noch ein Kind. Wie soll er das denn anstellen? Allein die West Side durchkämmen?«
    »Ich kann Leute finden, Mister«, meldete sich der Junge zu Wort. »Mein Alter haut jede Woche mit dem Mietgeld ab, egal, wie gut meine Ma es versteckt. Ich find ihn immer. Einmal hab ich ihn bis nach Weehawken über den Fluß verfolgt. Wie heißt sie? Ich treib sie für Sie auf.«
    Joe sah den Jungen an. Er war mager, vermutlich hungrig, und erinnerte Joe an sich selbst in diesem Alter: immer auf der Suche nach Arbeit, um sich zu beweisen. »Na schön«, begann er, wurde aber von der Kellnerin unterbrochen.
    »He, du Kanalratte!« kreischte sie. »Ich hab dir doch verboten, hier reinzukommen!« Sie packte den Jungen an den Ohren. »Jetzt hol ich den Koch, der prügelt dich windelweich. Vielleicht kapierst du’s dann!«
    »Einen Moment, Missus«, sagte Joe und ergriff den Arm des Jungen. »Wir sind hier mitten in einer geschäftlichen Verhandlung.«
    »Die einzigen, die hier reinkommen dürfen, sind zahlende Gäste«, erwiderte die Frau. »Keine Herumtreiber. Anweisung vom Koch.«
    »Er ist unser Gast«, antwortete Joe. »Wir wollten ihm gerade etwas zu essen bestellen. Das ist Teil unseres Geschäfts.«
    Die Kellnerin schüttelte verärgert den Kopf, ließ den Jungen aber los, der sich schnell setzte. »Noch ein Spezial?« fragte sie.
    »Nein, danke«, antwortete Brendan. »Wir wollen ihn anheuern, nicht umbringen. Bringen Sie ihm ein Sandwich. Was soll’s denn sein, Kleiner?«
    »Ein paar Coney Islands. Mit Senf, Zwiebeln und Sauerkraut«, sagte der Junge. »Und Bohnen dazu.«
    »O Mann, bin ich froh, daß ich heut nacht nicht neben dir schlafen muß«, meinte Brendan.
    »Und zum Trinken?« fragte die Kellnerin.
    »Eine Halbe Schaefer’s in einem kalten Krug.«
    »Werd nicht übermütig, Kleiner.«
    »Dann eine Limonade.«
    Während sie auf das Essen des Jungen warteten, erfuhren Joe und Brendan, daß er Eddie hieß und mit seiner Mutter, einer Fabrikarbeiterin, seinem arbeitslosen Vater und vier Geschwistern in einem Zimmer auf der Delancey Street wohnte. Joe erklärte ihm, daß er einen Mann namens Michael Finnegan suche, einen Ladeninhaber, und dessen Nichte Fiona. Er gab ihm einen Vierteldollar, und der Junge versprach, daß er die beiden finden würde. Als er mit seinem

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