Die Templerin
aber nichts. Doch sie spürte, daß sie sich jetzt jedes Wort, das sie sprach, doppelt gründlich überlegen mußte; nicht nur um ihretwillen.
»Dann solltest du vielleicht wissen, in welch große Schwierigkeiten du ihn bringst«, fuhr Jeromé fort. »Du bist eine Gefahr für ihn, weißt du das? Für uns alle hier, aber für ihn am allermeisten.«
»Eine … Gefahr?«
»Du verstehst es nicht einmal, wie?« fragte Jeromé mit einem traurigen Lächeln. »Du dürftest nicht hier sein. Allein deine Anwesenheit hier verstößt gegen unsere Regeln, und das aufs schwerste. Käme allein diese Tatsache den falschen Leuten zu Ohren, so wäre es um ihn geschehen. Er würde in Ungnade fallen, möglicherweise mit Schimpf und Schande davongejagt - oder Schlimmeres.«
»Wollt Ihr, daß ich fortgehe?« fragte Robin.
»Wenn es nur so einfach wäre«, seufzte Jeromé und schüttelte den Kopf. »Bei allem ist es doch so, daß wir dich brauchen. Der Mord an deiner Familie und allen anderen aus deinem Dorf darf nicht ungesühnt bleiben, und du bist nun einmal die einzige, die weiß, was wirklich geschehen ist. Es wird eine Untersuchung geben, sowohl von weltlicher als auch kirchlicher Seite. Und jetzt, wo Otto entkommen ist, ist dies nun einmal der einzige Ort, an dem du sicher bist. Siehst du nun das Dilemma, in dem wir uns alle befinden?«
»Ich glaube, ja«, antwortete Robin. »Ich werde wieder lügen müssen.« In Jeromés Augen blitzte es kurz und zornig auf, aber er beherrschte sich. »Manchmal ist es der Wahrheit dienlicher, sie nicht sofort auszusprechen, sondern den richtigen Moment abzuwarten«, sagte er. »Wichtig ist, daß wir die Wahrheit kennen.« Seine Stimme wurde eine Winzigkeit schärfer. »Kennen wir sie?«
»Herr?«
»Ich möchte gerne glauben, daß alles nur gelogen ist«, sagte Jeromé. »Aber ist es das? Diese böse Verleumdung über einen der unseren, der sich angeblich mit einer Frau aus eurem Dorf getroffen hat… ist es wirklich nur eine Verleumdung?«
»Das weiß ich nicht, Herr.« Robin wich seinem Blick aus.
»Und eben das zu glauben, fällt mir schwer«, sagte Jeromé. »Du kannst mir die Wahrheit sagen. Ich habe nicht vor, sie gegen jemanden zu benutzen, wenn es das ist, was du fürchtest. Wenn einer unserer Brüder wirklich vom rechten Weg abgekommen ist, so wird dieses Geheimnis diesen Raum hier nicht verlassen, darauf hast du mein Wort. Aber ich muß die Wahrheit wissen, um uns alle zu schützen.«
»Aber ich sage die Wahrheit!«
Jeromés Stimme wurde wieder eine Spur schärfer. »Du hast schon einmal gelogen«, sagte er.
Das war so ungeheuerlich - und zugleich so unverfroren! -, daß es Robin im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlug und sie Jeromé nur mit offenem Mund anstarren konnte. Erst nach einer geraumen Weile war sie überhaupt fähig, auch nur ein paar fast gestammelte Worte hervorzubringen. »Aber… aber Ihr… Ihr habt es doch selbst von mir verlangt!«
»Und wer hat von dir verlangt, nicht zu verraten, daß du ihn in eurem Dorf gesehen hast?« wollte Jeromé wissen.
Robin schossen die Tränen in die Augen - Tränen der Wut und des Zorns, nicht der Angst. Jeromé konnte das allerdings nicht wissen, und so sah er für einen kleinen Augenblick deutlich zufrieden aus, glaubte er Robin doch nun genau da zu haben, wo er sie haben wollte. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und einfach aus dem Zimmer gelaufen, ganz egal, was Jeromé gesagt hätte. Warum quälte er sie so? Er wußte die Wahrheit doch sowieso!
»Wen willst du schützen?« fragte Jeromé geradeheraus. Warum sagte sie es ihm eigentlich nicht? Sie war Abbé nichts schuldig. Was er für sie getan hatte, war nichts im Vergleich mit dem, was ihr durch seine Schuld angetan worden war. Wenn hier jemand in der Schuld eines anderen stand, dann er in ihrer.
Die Tür flog auf, und Abbé stürmte herein. »Was geht hier vor?« fragte er scharf. Jeromé wollte antworten, aber Abbé ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen, sondern fuhr in noch schärferem, fast schon schreiendem Ton fort: »Wer hat Euch die Erlaubnis gegeben, Robin zu verhören?«
»Ich habe sie nicht verhört«, verteidigte sich Jeromé. »Ich habe lediglich…«
»Schweigt!« unterbrach ihn Abbé. Jeromé wollte aufstehen, aber Abbé machte eine zornige Handbewegung, die ihm nicht nur das Wort abschnitt, sondern ihn die begonnene Bewegung auch nicht zu Ende führen ließ, so daß er wieder auf den Stuhl sank. Obwohl er weiter stocksteif aufgerichtet
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