Die Templerin
sofort eine solche Kopfnuß verpaßt, daß sie um ein Haar wieder das Bewußtsein verloren hätte.
»Rühr dich nicht«, sagte eine drohende Stimme, »oder ich schneide dir gleich den Hals ab!«
»Sei nicht so grob, Otto«, mischte sich eine andere Stimme ein. »Wir müssen ihn noch befragen. Tote reden nicht viel… Es wird ohnehin Zeit für eine Rast… Reitet zu den Bäumen dort drüben.«
Robin wagte es nicht, noch einmal den Kopf zu heben, aber sie öffnete vorsichtig die Augen. Sie sah nichts als mit Gras bewachsenen Boden, der gleichmäßig unter ihnen entlang zog, aber sie stellte immerhin fest, daß es bereits wieder zu dämmern begonnen hatte. Sie mußten die ganze Nacht unterwegs gewesen sein.
Nach einigen Augenblicken hielten die Pferde an. Sie konnte hören, wie der Reiter hinter ihr aus dem Sattel stieg, und erwartete, nun ebenfalls vom Rücken des Pferdes gehoben zu werden. Der Mann tat jedoch nichts dergleichen, sondern griff nach ihrem Handgelenk und zerrte so kräftig daran, daß sie vom Pferd fiel und kopfüber im Gras landete. Instinktiv spannte sie alle Muskeln an, um den Aufprall abzufedern, aber er war trotzdem so hart, daß ihr für einen Moment schon wieder schwarz vor Augen wurde.
Das erste, was sie sah, als sich ihr Blick wieder klärte, war eine ganz in mattes Silber und fließendes Weiß gehüllte Gestalt, die riesig und drohend über ihr emporragte. Es war der Narbige. Sein Blick taxierte kalt Robins Gesicht. Als er zu dem Schluß zu kommen schien, daß sie bei Bewußtsein und klarem Verstand war, beugte er sich vor, grub seine in Eisen gehüllte Hand in ihre Schulter und riß sie so grob in die Höhe, daß sie einen halblauten Schmerzensschrei ausstieß. Fast schon brutal drehte er sie herum und versetzte ihr einen weiteren Stoß mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter, der sie ungeschickt auf den Baum zutorkeln ließ, unter dessen überhängenden Ästen sie angehalten hatten. Es war eine mächtige Ulme, deren Stamm so gewaltig war, daß vermutlich nicht einmal drei Männer mit ausgestreckten Armen sie hätten umfassen können. Ihre Krone war groß genug, ihnen allen Schutz zu bieten, und die weit ausladenden Äste berührten hier und da fast den Boden. Ein ausgezeichnet gewähltes Versteck. Im noch schwachen Licht der Dämmerung konnte ein eventueller Verfolger selbst in unmittelbarer Nähe daran vorbeireiten, ohne sie auch nur zu sehen.
Die Männer schienen sich jedoch keine Sorgen um irgendwelche Verfolger zu machen. Sie waren alles andere als leise, unterhielten sich laut und lachten sogar, was Robin geradezu obszön vorkam nach dem Gemetzel, das sie erst vor wenigen Stunden angerichtet hatten. Während der Kreuzritter sie grob auf den Baumstamm zustieß, sah sich Robin unauffällig um. Sie befanden sich eindeutig nicht rnehr in der Umgebung des Dorfes, aber die Gegend war auch nicht menschenleer. Irgendwo, sehr weit im Norden, gewahrte sie das rote Funkeln eines Feuers, vielleicht ein erleuchtetes Fenster, vielleicht auch ein größeres Feuer, das nur weiter entfernt war. Im Osten begann ein verwaschener heller Umriß aus der Dämmerung aufzutauchen, ein Gut oder vielleicht auch ein sehr großer Bauernhof, der von einem überproportional hohen Turm überragt wurde. Er war vielleicht eine halbe Meile entfernt, vielleicht auch viel weiter; das graue Zwielicht machte es schwer, Entfernungen zu schätzen. In dem Gebäude brannte kein Licht. Sie hatten den Baum erreicht. Der Templer machte eine drohende Geste. »Du wartest hier«, sagte er. »Rühr dich nicht von der Stelle.« Damit drehte er sich einfach um und ließ sie stehen, um zu seinen Kameraden zurückzugehen. Die Gleichgültigkeit, mit der die Männer sie behandelten, verblüffte Robin im ersten Moment - bis sie begriff, daß sie sich deshalb wohl eher Sorgen machen sollte. Wenn ihr eines klar war, dann das, daß diese Männer gefährlich waren. Sie ließen nicht zu, daß ihnen jemand in die Quere kam - und wenn, dann brachten sie ihn kaltblütig um.
Mit klopfendem Herzen sah sie zu den gepanzerten Gestalten hin. Sie waren zu weit entfernt, als daß sie verstehen konnte, was sie redeten, aber sie sah an ihren Gesten, daß sie offenbar hitzig miteinander debattierten, und ihre Stimmen wurden manchmal lauter und klangen eindeutig verärgert. Vielleicht, dachte Robin verzweifelt, konnten sie sich nicht einigen, auf welche Weise sie sie umbringen sollten.
Sie sah wieder zu dem weißen Schemen hinüber. Der Hof
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