Die Templerin
aller Freundschaft willen«, begann Gunthar. Als er das Wort Freundschaft aussprach, huschte ein verächtlicher Ausdruck über das Gesicht seines Sohnes, aber er schwieg.
»Das weiß ich«, antwortete Abbé. »Und ich weiß auch, wie schwer es Euch gefallen sein muß, insbesondere nach dem herben Verlust, den Ihr erlitten habt. Es ehrt Euch, daß Ihr die Gerechtigkeit über die Stimme Eures Blutes stellt, die zweifellos nach Rache schreit.«
»Gerechtigkeit…« Gunthar seufzte, aber in Robins Ohren klang es eher wie ein kleiner Schrei. »Nun, ganz wie Ihr meint, Abbé.« Er deutete auf Hark. »Ich nehme an, Ihr kennt diesen Mann?«
»Wir sind uns nie begegnet«, antwortete Abbé ruhig. »Doch ich vermute, er stammt aus dem Dorf, das überfallen wurde?«
Robin konnte Abbés Gesicht nicht erkennen, sehr wohl aber die Reaktion auf Harks Gesicht, und die machte jede Antwort im Grunde überflüssig. Den Ausdruck auf seinen Zügen mit Entsetzen zu beschreiben, wäre noch untertrieben gewesen.
»Er hat eine interessante Geschichte zu erzählen«, sagte Gunthar, während er sich mit einer schwerfällig wirkenden Bewegung auf seinem Stuhl herumdrehte und sich direkt an Hark wandte. »Sprich. Du hast nichts zu befürchten. Erzähl einfach die gleiche Geschichte, die du uns berichtet hast.«
Hark wand sich einen Moment wie unter Schmerzen. Er hatte weder die Kraft, Abbé noch Gunthar von Elmstatt anzusehen. »Sie … sie kamen mit Einbruch der Nacht«, begann er stockend. »Vier… vier Tempelritter, Herr. Sie waren gekleidet wie… wie Ihr. Und zu Pferde und in Waffen.« Er stockte. Gunthar warf einen scharfen Blick in Abbés Gesicht, dann nickte er Hark auffordernd zu. »Red weiter. Nur keine Furcht. Solange du die Wahrheit sagst, kann dir nichts geschehen.«
»Ich weiß nicht, was die Wahrheit ist, Herr«, antwortete Hark gequält, und noch immer, ohne irgend jemanden im Raum direkt anzusehen. »Ich meine, ich … ich weiß nicht, warum sie es getan haben. Niemand bei uns kann es sich erklären.«
»Was getan, mein Sohn?« fragte Abbé. Seine Stimme war autoritär, aber plötzlich fast sanft; die Stimme eines Vaters, der mit einem verängstigten Kind spricht.
»Sie haben uns angegriffen, Herr«, antwortete Hark, beinahe im Flüsterton. »Sofort und ohne auch nur ein Wort zu sagen. Sie haben… acht von uns erschlagen und Feuer gelegt, und die Überlebenden haben sie in der Mitte des Dorfes zusammengetrieben.« Er begann mit den Händen zu ringen. »Wenn… wenn die Söhne des Lehnsherrn nicht gekommen wären, dann hätten sie uns vielleicht alle getötet. Wir haben versucht, uns zu wehren, aber sie… sie waren viel zu stark.«
»Einfach so, ohne ein Wort zu sagen?« hakte Abbé nach.
Hark nickte nervös. Er versuchte nun doch, Abbé anzusehen, hielt seinem Blick aber nicht einmal für die Dauer eines Lidschlages stand. »Männer, Frauen und Kinder«, bestätigte er. »Sie haben jeden niedergemacht, der ihren Weg kreuzte. Sie… sie waren wie die Teufel.« Robin sah, daß der ihr unbekannte Tempelritter auffahren wollte, aber Abbé brachte ihn mit einer raschen Geste zur Räson. »Sag mir, Hark«, fragte er, noch immer in jenem sanften, aber trotzdem bestimmten Ton, »siehst du hier im Raum einen der Männer, die dein Dorf überfallen haben?«
Hark verneinte, und Abbé fuhr fort. »Ich lasse gern meine anderen Brüder kommen, damit du …«
»Welchen Sinn sollte das haben?« mischte sich Gernot ein. »Die Männer trugen Helme! Er würde sie nicht einmal erkennen, wenn sie vor ihm stünden. Nicht einmal ich würde sie wiedererkennen, obwohl ich mit einem von ihnen gekämpft habe!«
Abbé hob besänftigend die Hand. »Ich bitte Euch, Gernot. Eure Erregung ist verständlich, aber sie hilft uns nicht bei der Wahrheitsfindung.«
»Wahrheit?« Gernot schnaubte. »Sie dürfte jedem hier im Raum…« Diesmal war es sein Vater, der ihn zum Schweigen brachte. »Gernot!« sagte er scharf. Dann wandte er sich an Hark. »Sprich weiter.«
»Es war, wie Euer Sohn gesagt hat«, fuhr Hark mit gesenktem Blick fort. »Er und… und Euer jüngster Sohn kamen im letzten Augenblick, um uns zu retten. Sie haben sich mit ihren eigenen Leben zwischen uns und die Tempelritter geworfen, um uns zu beschützen.«
»Wieso?« fragte Abbé.
»Wieso?« Gernot riß ungläubig die Augen auf. »Das fragt Ihr im Ernst? Sollten wir tatenlos zusehen, wie …«
Abbé unterbrach ihn. »Ihr habt mich mißverstanden, Gernot«, sagte er.
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