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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fügte er mit veränderter Betonung hinzu, »und wir halten uns nicht für die Herren der Welt.«
    Robin entschied, daß sie im Moment gar nicht verstehen wollte, was er mit diesen Worten meinte. Salim war in allem, was er tat und sagte, ungewöhnlich - vor allem für einen Sklaven, der er doch angeblich war. Ihr fiel noch etwas sehr ungewöhnliches für einen Sklaven an ihm auf: Im Saum der schwarzen Hose, die er trug, steckten zwei winzige, silberne Dolche.
    Salim ließ sich im Schneidersitz vor dem Kamin nieder und streckte die linke Hand aus. »Warum kommst du nicht hierher zum Kamin?« fragte er. »Du bist naß, und das Feuer ist warm.«
    Das war die Wahrheit, aber trotzdem ganz und gar nicht der Grund, weshalb er wollte, daß sie zu ihm kam.
    Aber warum eigentlich nicht? Sie waren allein. Sie war eine Waise und in einer Welt gestrandet, die ihr nicht nur vollkommen fremd, sondern auch durch und durch feindselig gesonnen war, und sie war niemandem außer ihrem eigenen Gewissen Rechenschaft schuldig. Sie schlug die Decke zurück, setzte sich ganz auf und stellte die Füße auf den kalten Steinboden. Salim hatte so ganz nebenbei recht: Sie war bis auf die Haut durchnäßt und fror erbärmlich, und es war ihrer ohnehin noch lange nicht wiederhergestellten Gesundheit bestimmt nicht zuträglich, wenn sie sich erkältete und Fieber bekam.
    Aber auch das war nur ein Vorwand, den sie sich selbst gegenüber brauchte, um sich zu rechtfertigen. Aber er tat seinen Dienst. Sie ging zum Kamin, ließ sich neben Salim nieder und gestattete es, daß er wie selbstverständlich den Arm um ihre Schulter legte und sie an sich zog. Im allerersten Moment versteifte sie sich, aber dann überwand sie ihre letzten Hemmungen und kuschelte sich im Gegenteil eng an seine Schulter. Salims Haut war heiß vom Kaminfeuer, und sie spürte selbst durch den groben Stoff ihrer Kutte hindurch, wie glatt und geschmeidig sie sich anfühlte.
    »Besser?« fragte Salim.
    Robin war nicht ganz sicher, ob er damit die Wärme oder vielleicht etwas ganz anderes meinte, aber sie nickte trotzdem. Eine ganze Weile saßen sie in vertrautem Schweigen da, dann sagte sie: »Erzähl mir von… deiner Heimat.«
    Salim wirkte leicht überrascht, lächelte aber. Vielleicht schmeichelte ihm ihre Frage.
    »Es ist wunderschön dort«, antwortete er. »Aber ich weiß nicht, ob es dir gefallen würde.«
    Da ihr das Sprechen Schmerzen bereitete, beließ sie es bei einem fragenden Blick, der für Salim aber Anlaß genug war, weiter zu reden. »Meine Heimat ist anders als euer Land. Wir leben in der Wüste … weißt du, was das ist?«
    Robin signalisierte ihm mit den Augen ein Nein.
    »Unser Land ist groß«, sagte Salim. »So unendlich weit, daß du es dir nicht vorstellen kannst, und der Himmel dort ist viel näher als hier. Du kannst tagelang reiten, ohne dem Horizont näher zu kommen. Es ist dort immer warm, und die Menschen sind freundlich und heißen Fremde in ihren Zelten willkommen, ohne nach dem Woher und Wohin zu fragen. Aber wir sind auch ein stolzes Volk. Wir haben nicht viel, aber das wenige, das wir besitzen, verteidigen wir mit unserem Leben.« Er seufzte. »Viele von uns verstehen nicht, warum ihr eure Heere in unser Land geschickt habt, um uns zu erobern.«
    Robin verstand es ebensowenig, aber sie maßte es sich auch nicht an, es verstehen zu können. Sie war nur ein einfaches Bauernmädchen, sie würde niemals verstehen, nach welchen Regeln die Welt funktionierte. Die Dinge waren nun einmal so, wie sie waren. Es stimmte sie ein wenig traurig, daß Salims Worte nun diese Wendung nahmen, aber sie spürte auch, daß die Bitterkeit, die plötzlich daraus sprach, schon seit langer Zeit an seiner Seele fraß. Vielleicht war sie nicht die einzige hier, die verzweifelt nach ein wenig Wärme und Geborgenheit suchte.
    »Euer Land ist so reich, und ihr wißt es nicht einmal«, fuhr Salim nach einer Pause fort. Er machte eine Kopfbewegung zum Fenster. »Regen. Er ist kalt, und meistens flieht ihr ihn. Bestenfalls ist er euch lästig, und ihr begreift nicht einmal, welch unvorstellbar kostbares Geschenk euch damit gemacht wird.«
    Mit Regen? dachte Robin. Nein, sie begriff wirklich nicht, was daran kostbar sein sollte. Sicher, die Felder brauchten von Zeit zu Zeit Regen, aber Salim hatte vollkommen recht - die meiste Zeit über war er einfach nur lästig. Er verwandelte das Land in Morast, weichte Straßen und Plätze auf und ließ harmlose Bäche zu reißenden Flüssen

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