Die Templerin
Insel ragte.
Robin rieb sich fröstelnd die Oberarme. Bald würde die Sonne aufgehen, und gewiß würde es wieder warm, vielleicht sogar heiß werden, genau wie an den Tagen zuvor, aber im Moment fror sie. Ihr Gewand war noch immer klamm, und die Erschöpfung tat ein übriges. Auch sie hatte in dieser Nacht nicht geschlafen, dafür aber große Gefahren überstanden und noch größere Anstrengungen. Und auch wenn sie es weiter beharrlich leugnete - es war ein höllischer Kampf gewesen, den sie im Grunde nicht hätte überleben dürfen.
»Sie kommen zurück!«
Robin legte den Kopf in den Nacken und blinzelte zur Turmspitze hinauf. Eine winzige Gestalt war in einem der erleuchteten Fenster im obersten Stockwerk erschienen und deutete heftig gestikulierend nach Westen. Offenbar war irgend jemand in der Komturei wenigstens jetzt auf den Gedanken gekommen, eine Wache aufzustellen.
»Abbé«, sagte Salim stirnrunzelnd. »Das ist schlimm. Er wird wenig begeistert sein zu hören, was passiert ist, und noch weniger, wenn ihm klar wird, daß er übertölpelt wurde.«
»Übertölpelt?«
Salim lachte humorlos. »Glaubst du, es ist ein Zufall, daß sie ausgerechnet gestern Abend weggerufen wurden? Ganz gewiß nicht! Sie wurden weggelockt - damit der Attentäter leichtes Spiel hat!«
»Womit?« fragte Robin mühsam. Jedes Wort fiel ihr jetzt schwerer, und ihre Kehle schmerzte ununterbrochen. Sie durfte noch nicht zuviel von ihrer gerade erst zurückgewonnenen Stimme verlangen. Wenn sie ihr noch einmal den Dienst aufkündigte, dann vielleicht für immer. »Das weiß ich nicht«, antwortete Salim. »Abbé wollte es mir nicht sagen
- und er hat auch Helge verboten, mit mir zu reden. Gehen wir ihm entgegen und fragen ihn.« Er deutete zum Tor, blieb aber nach einem einzigen Schritt wieder stehen und sah Robin nachdenklich an.
»Vielleicht ist es besser, wenn wir ihm noch nicht verraten, daß du wieder sprechen kannst… wenigstens nicht gleich.«
Robin nickte. Dieses Versprechen abzugeben fiel ihr nicht schwer. Ihr Hals fühlte sich an, als wäre er mindestens auf das Doppelte seines normalen Umfangs angeschwollen. Wahrscheinlich konnte sie im Moment gar nicht reden, selbst wenn sie es gewollt hätte.
Sie machten sich auf den Weg zum Tor, aber sie hatten kaum mehr als die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als Bruder Abbé und die anderen Tempelritter auch schon in gestrecktem Galopp durch das Gewölbe hereinsprengten. Unter den wirbelnden Hufen ihrer Pferde spritzten Wasser und Schlamm so hoch, daß ihre Gestalten kaum zu erkennen waren. Trotzdem sah Robin beinahe sofort, daß mit dem halben Dutzend Reitern etwas nicht stimmte. Etwas stimmte sogar ganz und gar nicht mit ihnen…
Salim und sie begannen im gleichen Augenblick zu rennen. Die Templer galoppierten bis zur Mitte des Hofes und brachten ihre Pferde dann so abrupt zum Stehen, daß sich zwei der Tiere mit einem protestierenden Wiehern aufbäumten. Die Reiter befanden sich in einem bemitleidenswerten Zustand. Ihre Kleider waren verdreckt und hingen in Fetzen, und längst nicht alles Rot auf den weißen Gewändern war das der aufgestickten Tatzenkreuze. Die Reiter kehrten geradewegs aus einer Schlacht heim. Einer der Männer sank hilflos nach vorne und brach über dem Hals seines Pferdes zusammen, und Bruder Abbé - der einzige, den sie aufgrund seiner untersetzten Gestalt trotz des geschlossenen Helmes erkannte - glitt mit einer hastigen Bewegung aus dem Sattel und wandte sich heftig gestikulierend an Salim. Hinter ihm flogen die Türen des Haupthauses auf, und eine Anzahl graugekleideter Gestalten näherte sich ihnen im Laufschritt.
»Salim!« schrie Abbé. »Lauf und hol Bruder Tobias! Ferdinand ist schwer verwundet! Schnell! Es geht um jede Minute!«
»Tobias wird nicht kommen«, antwortete Salim. »Es gab einen Anschlag auf Robins Leben. Sie konnte entkommen, aber Tobias ist schwer verwundet. Er wird vielleicht sterben.«
»Ein Anschlag? Wer… ?«
Salim schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. Salim ihm, nicht etwa umgekehrt. »Was ist passiert? Wurdet ihr angegriffen?«
»Es war eine Falle«, antwortete Abbé, sprach jedoch nicht sofort weiter, sondern drehte sich mit einer abrupten Bewegung herum und wandte sich an die Männer, die in immer größerer Anzahl aus dem Haus gelaufen kamen. »Kümmert euch um Ferdinand! Aber seid vorsichtig. Und bringt trockenes Holz und Steine! Verschließt das Tor und alle äußeren Fenster, und schickt eine Wache
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