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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihre Arbeit tun.«
    Die wahrscheinlich nur aus einer vorgezogenen Totenwache bestand, dachte Robin bitter. Viele Mönche hier verstanden ein wenig davon, Wunden und Verletzungen zu behandeln. Abbé und die anderen übten fast täglich mit ihren Waffen, und es verging nicht eine Woche, in der nicht mindestens einer der Männer eine kleine oder größere Blessur davontrug, so daß ein kleiner Schnitt, eine Prellung oder auch schon mal ein gebrochener Knochen nichts Besonderes darstellten. Aber Tobias war wirklich schwer verletzt, und er war der einzige hier, der wirklich etwas von der Heilkunst verstand. Er würde sterben, wenn nicht ein Wunder geschah.
    Als sie auf dem Weg nach unten waren, sagte Salim: »Ich war oben in deiner Kammer. Ich verstehe nicht so ganz, wie du überhaupt da rausgekommen bist. Es muß ein höllischer Kampf gewesen sein.«
    »Glück«, krächzte Robin.
    »Glück«, wiederholte Salim auf eine sonderbare, nachdenkliche Art. Dann schüttelte er den Kopf. »Das hatte nichts mit Glück zu tun. Ich hatte Zeit genug, dich zu beobachten. Du hast jeden Tag am Fenster gestanden und den Rittern bei ihren Übungen zugesehen. Ich wette, du hast nicht eine Stunde verpaßt.«
    Das war übertrieben, traf aber den Kern der Sache. Sie hatte tatsächlich sehr oft dagestanden und den Rittern bei ihren Waffenübungen zugesehen, von einer Faszination erfüllt, die sie selber vielleicht am allerwenigsten begriff.
    »Es bereitet dir Freude, nicht?« fragte Salim. »Du siehst einem guten Kampf gerne zu, habe ich recht? Ich meine: Du bist nicht wie die meisten Weiber, denen beim Anblick eines Mannes das Blut aus dem Gesicht weicht, und die sich in die Hosen machen, wenn sie ein blankgezogenes Schwert sehen - und übrigens nicht nur Frauen.«
    Nein, das war sie gewiß nicht. Gerade in den letzten Tagen hatte sie mehr als einmal mit ansehen müssen, welch furchtbare Dinge Waffen in den falschen Händen anzurichten vermochten, aber das hatte keineswegs dazu geführt, daß sie nun Angst davor hatte. Ganz im Gegenteil: Sie hatte endgültig begriffen, daß es nicht die Waffen waren, die den Schaden anrichteten, sondern stets nur die Hände, die sie führten. »Wenn du willst, bringe ich es dir bei«, sagte Salim.
    Sie sah ihn fragend an. Was?
    »Kämpfen.« Salim machte eine wedelnde Handbewegung. »Du hast Talent dafür. Ich weiß das.«
    »Woher?«
    »Ich bin ein Krieger, und ein wahrer Krieger spürt eine verwandte Seele. Du bist eine Frau, aber du hast das Herz eines Kämpfers. Bruder Abbé weiß das auch. Er hat mir erzählt, wie du dich in der Kirche verhalten hast, als dieser Verrückte euch angegriffen hat.«
    Robin blieb überrascht stehen. »Er hat dir…«
    »Davon erzählt, ja.« Salim nickte mehrmals hintereinander. »Das wundert dich. Bruder Abbé und ich haben keine Geheimnisse voreinander. Ich bin sein Sklave. Jeder andere an deiner Stelle wäre einfach vor Angst erstarrt oder schreiend davongelaufen. Du nicht. Du bist ihm nachgelaufen und hast ihm sein Schwert zugeworfen, so daß er sich dieses Verrückten erwehren konnte.«
    Robin starrte ihn an. Salim wußte von Abbés Geheimnis? Niemand in der Komturei wußte davon, nicht einmal Jeromé und die anderen Ritter. Abbé riskierte einen Krieg, damit sein Geheimnis gewahrt blieb - und er sollte es so einfach einem Sklaven erzählt haben? Unmöglich! Und plötzlich mußte sie wieder daran denken, wie sich Abbé und Salim am vergangenen Abend gestritten hatten, und an den respektlosen Ton, den der Tuareg manchmal Abbé gegenüber anschlug - allerdings immer nur, wenn sie allein waren.
    »Ich werde mit Abbé darüber reden.« Salim ging weiter. »Wir werden keinen Ritter aus dir machen, aber vielleicht kann ich dir ein paar Tricks beibringen, damit du dich deiner Haut zu wehren weißt. Das kann nie schaden.«
    Sie verließen den Turm und traten in die Dämmerung hinaus. Es war noch nicht richtig hell. Die Gebäude ringsum waren wieder zu bleichen Schemen geworden, die im grauen Zwielicht mehr zu erahnen als zu sehen waren, in denen nun aber zahlreiche rote und gelbe Augen flackerten. Hinter fast jedem Fenster brannte Licht, als hätten die Geschehnisse der vergangenen Nacht die Menschen hier mit einer plötzlichen Angst vor der Dunkelheit erfüllt. Der Regen hatte Kälte und einen Hauch alles durchdringender Feuchtigkeit zurückgelassen, und er hatte den Hof in einen rechteckigen, schmutzigen See verwandelt, aus dem nur hier und da der Gipfel einer schlammigen

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