Die Terranauten 017 - Die Piraten des Scharlachmeers
blutrote Flagge flatterte im Wind. David sah mehrere Dutzend Männer mit schwarzen Helmen und ledernen Brustpanzern, die sich auf dem Vorderdeck sammelten. Schwerter blitzten in der Sonne.
Die Barries knurrten und stellten sich am Bug auf die Hinterbeine. David sah ihre rasiermesserscharfen Zähne. Diese Tiere würden in dem zu erwartenden Kampf wertvolle Verbündete sein.
»Das sind Piraten«, sagte Chalid. »Wir kennen sie. Im letzten Jahr drangen sie bis hinter die Nördliche Bergkette vor. Als wir das erstemal von ihnen hörten, sagte man, sie hätten vor nichts Respekt.«
Auf dem Viermaster wurden Befehle gebrüllt. Das Schiff änderte den Kurs und steuerte nach backbord. Chalid gab seinen Männern einen Wink. Sie bauten sich an der Steuerbordseite auf und starrten die Leute auf der Feuerdrache an ohne die Mienen zu verziehen.
»Zwo Strich steuerbord!« schrie Farrell, der hinter dem Rudergänger stand und mit seinem Schwert die Luft zerhieb.
Nichts geschah. Die Feuerdrache glitt in einem Abstand von etwa zehn Metern an der Windsbraut vorbei. Die an Bord des Piratenschiffes bereitstellenden Männer zogen die Köpfe ein.
»Was …« David schüttelte den Kopf. Als er sich umwandte, spielte ein sanftes Lächeln um Chalids Lippen.
Als wir das erstemal von ihnen hörten, sagte man, sie hätten vor nichts Respekt.
Die Islahami zogen sich von der Reling zurück. Im gleichen Moment verstummten auch die Barries, wedelten mit den Schwänzen und legten sich hechelnd auf den Boden. Die Mannschaft der Windsbraut verhielt sich seltsam still. Als David zu Farrell auf die Brücke ging, sprach er den Rudergänger an und sagte: »Warum haben diese Leute uns nicht angegriffen?«
Der Mann starrte wie gebannt auf den sich eilig entfernenden Viermaster.
»Weil wir die Fremden an Bord haben, Herr«, sagte er dann. »Man fürchtet sie.«
»Warum fürchtet man sie?« fragte Farrell. Er spielte nervös mit seinem Schwert. »Haben sie einen schlechten Ruf?«
»Man hat nie davon gehört, daß sie jemanden angegriffen haben«, sagte der Rudergänger einsilbig. »Aber wer sie bedroht, ist des Todes. Diese Leute sind hart, Herr. Sie leben am Fuße der Nördlichen Bergkette. Dort wächst und gedeiht kaum etwas. Sie haben auch wenig Wasser. Sie könnten durchaus anderswohin gehen, aber das wollen sie nicht. Sie stellen keine großen Ansprüche an das Leben, aber sie lassen sich auch nichts nehmen. Die Islahami kennen auf jedes Vergehen nur ein Urteil: den Tod.«
»Die Leute auf dem Viermaster schienen sie jedenfalls zu kennen«, sagte David nachdenklich. Und zu Farrell gewandt: »Kannst du dir vorstellen, daß es Menschen gibt, die beim bloßen Anblick der Islahami die Flucht ergreifen?«
Farrell zuckte die Achseln. »Möglicherweise werden sie ihre Erfahrungen mit ihnen haben, wenn sie das tun«, erwiderte er.
*
Die Windsbraut durchquerte das Scharlachmeer ohne weitere Schwierigkeiten und machte im Hafen von Hayvant fest. Die Dunkle Dame, Rogiers Schiff, war einen halben Tag vor ihnen angekommen und ankerte sieben Plätze von der Windsbraut entfernt. Der Souverän der Stadt Aliruth ließ ein Kommando an Land gehen, um Frischwasser einzukaufen. David verließ seinen Segler allein und machte sich auf den Weg in die Innenstadt. Auf dem Marktplatz wimmelte es von Menschen, die ihren Geschäften nachgingen. Mehrere von Rogiers Söldnern zogen einen vollbeladenen Karren hinter sich her, auf dem ein Dutzend Fässer festgezurrt waren. Kommandiert wurden sie von einem grimmig dreinblickenden Offizier und Marcel d’Guinne, der David im gleichen Moment erkannte, als dieser hinter einem Torbogen verschwinden wollte.
Zu seiner Überraschung alarmierte d’Guinne jedoch niemanden. Er gab David terGorden mit einem Handzeichen zu verstehen, daß es zwecklos sei, unterzutauchen und ging auf ihn zu.
»Wie nett, Sie wiederzusehen«, sagte er sarkastisch und deutete auf Davids teure Kleider. »Wie ich sehe, haben Sie inzwischen Ihr Glück gemacht.«
»Es geht mir gut«, sagte David gelassen und musterte aus den Augenwinkeln unauffällig die Umgebung. »Darf ich fragen, was Sie in diese sonnige Gegend führt?«
»Sie dürfen«, erwiderte d’Guinne. »Ich begleite meinen Vetter Rogier auf einer Reise.« Er musterte David mit einem starren Blick. »Ich glaube, Sie haben das gleiche Ziel.«
Vorsicht, dachte David. Eine solche Situation hast du schon einmal erlebt! Er dachte an Debussy, der ihn und seine Leute auf eine heimtückische
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