Die Terranauten 054 - Der Sturz des Lordoberst
Regentropfen fielen die Gardisten der Cosmoral Fay Gray aus den Luken und schwebten mit ihren Raketengürteln sanft dem Gewirr der Protopgebäude und Hochstraßen entgegen, die sich binnen weniger Minuten von Menschen geleert hatten.
Lordoberst Max von Valdec hatte seine Drohung wahrgemacht.
Kurz nach der Verkündung des Notstands und der Auflösung des Konzils waren nahe der Plutobahn rund einhundert schwere Kampfschiffe der Grauen aus dem Weltraum II aufgetaucht.
Kampfschiffe, die von Valdectreuen Queens unter dem Oberbefehl Fay Grays kommandiert wurden und die der Lordoberst sofort nach dem Verlust der Ebberdyk-Flotte von den Stationen im Reichsgebiet abgezogen und für diesen Moment bereitgehalten hatte.
Die Graugardisten an Bord der Kaiserkraftschiffe waren überzeugt, daß das Konzil selbst in Gefahr war. Jeden, der sich ihnen bei der Ausführung ihrer Befehle in den Weg stellte, würden sie gnadenlos vernichten.
Damit war Chan de Nouille ausgeschaltet. Es hätte ihren politischen Selbstmord bedeutet, jetzt die Raumjäger der Systemverteidigung den riesigen Schlachtschiffen entgegenzuwerfen.
Valdec hatte alle Trümpfe in der Hand.
Die vier Terranauten in der Genfer Garden-Mission wußten genau, daß jetzt auch für sie die Lage kritisch wurde.
Llewellyn 709 wirbelte herum, als die Tür aufsprang. Er entspannte sich auch nicht, als er die vertraute, zierliche Gestalt der Queen Anafee erblickte. Chan de Nouilles Gesandte auf der Erde wirkte so kühl und unnahbar wie immer.
Der Riemenmann unterdrückte einen Fluch. Sie sieht aus wie ein Engel, dachte er, aber sie ist kalt wie Trockeneis.
Narda, Asen-Ger und Mandorla, die über die Bildschirme die Besetzung Genfs verfolgt hatten, drehten sich nun ebenfalls herum.
Mandorla, stellte Llewellyn fest, wirkte für eine Graue sehr nervös. Schuldgefühle, analysierte er. Seit sie Zuflucht in der Gardengesandtschaft gesucht hatten, war Mandorla immer stiller geworden.
Die Queen Anafee ignorierte die ehemalige Sicherheitschefin Valdecs. Sie trug einen schmucklosen Kampfanzug, und ihr blondes, feines Haar war unter dem Protophelm verborgen. Ihre Haut war weiß wie Milch und ihre Augen von einem hellen, strahlenden Blau.
»Kommen, Sie«, befahl die Gesandtin.
»Wohin?« entgegnete Llewellyn knapp.
Hinter der Queen erschienen weitere Gardisten. An den Abzeichen ihrer Kampfanzüge konnte Llewellyn erkennen, daß sie zur Legion Arda gehörten. Chan de Nouilles Elitetruppe, der er schon während des Einsatzes auf Shondyke in der Feuerschale begegnet war.
Die Grauen waren mit schweren Laserkarabinern bewaffnet.
Die Fokuskristalle glühten düsterrot.
Kälte kroch über Llewellyns Rücken. Er wechselte einen knappen Blick mit Asen-Ger, und verstohlen zuckte der hochgewachsene Logenmeister in einer resignierten Geste die Achseln.
»Kommen Sie«, wiederholte die Queen Anafee kühl. »Sofort.«
Llewellyn 709 setzte sich in Bewegung. »Einer so freundlichen Aufforderung kann ich nicht widerstehen«, bemerkte er ironisch, als er an Anafee vorbeischritt und hinaus auf den Gang trat.
Die Queen reagierte nicht auf seine Worte.
Draußen im Korridor hatten sich weitere Gardisten postiert. Ihren ausdruckslosen Gesichtern war nicht anzusehen, welche Gedanken sie beherrschten.
Anafee setzte sich an die Spitze der kleinen Kolonne, und gemeinsam näherten sie sich dem im Erdgeschoß liegenden Portal.
Ein telepathischer Impuls blitzte in Llewellyns Bewußtsein auf. Verrat?
Kaum, Narda, erwiderte der Riemenmann auf dem gleichen Weg. Anafee ist der Großen Grauen treu ergeben, und ich glaube nicht, daß Chan de Nouille mit Valdec zusammenarbeitet.
Valdec …
Unwillkürlich ballte der Supertreiber die Fäuste. Der Lordoberst hatte sich der Konfrontation besser gewachsen gezeigt als die konzilsinterne Opposition oder Chan de Nouille. Die rasche Besetzung der irdischen Metropolen, die inzwischen vermutlich schon fast abgeschlossen war, hatte sie alle überrascht.
Düster fragte er sich, was aus Tyll geworden war. Zweifellos gehörte der Lordinspekteur neben Anlyka terCrupp und den Manags von Grüne Hügel, IWF und dem Export-Kartell zu Valdecs gefährlichsten Gegnern. Noch immer verfügte Tyll über genug Beweise, um Valdec rechtlich gesehen absetzen zu lassen. Die Auflösung des Konzils und seine Anschuldigungen gegen ASK und die fingierten Verschwörungsberichte hatten ihn knapp davor bewahrt.
Zweifellos würde Valdec das Konzil nie wieder in dieser Form zusammentreten
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