Die Terranauten 056 - Die Drachenhexen
ein: Er war kreisrund und durchmaß etwa fünfzehn Meter. In der Mitte stand ein großer, hölzerner Tisch, der – wie alle anderen Möbel auch – handgearbeitet war. Eine rotblonde Frau und zwei kräftig aussehende Männer räumten das Geschirr ab. Vier kleinere Kinder liefen hinter einem zwei Monate alten Drachen her, dem das Spiel offensichtlich ebensoviel Vergnügen bereitete wie seinen Verfolgern. Am Westfenster hatte eine Myrmica Platz genommen. Die Anwesenden begrüßten den Patrouillenreiter, indem sie ihn der Reihe nach in die Arme nahmen und an sich drückten.
»Nett, dich wieder mal zu sehen, Pethar«, sagte die rotblonde Leptothorax und gab dem jungen Mann einen Kuß.
»Du hast wohl viel zu tun in letzter Zeit?« erkundigte sich eines der männlichen Familienmitglieder und rückte Pethar einen Stuhl zurecht.
»Wir haben in letzter Zeit ziemlich viel Bewegung im Umfeld der Ruinenstädte registriert«, erwiderte Pethar achselzuckend. »Es wurde sogar schon die Vermutung geäußert, daß die zunehmende Zahl der Eindringlinge nicht auf einem Zufall basieren kann …«
»Glaubst du, es handelt sich um die Vorhut einer größeren Offensive?« fragte Nayala.
»Niemand kann das mit Genauigkeit sagen«, meinte Pethar zwischen zwei Bissen. »Aber Vorsicht ist geboten. Wir haben Informationen, die nicht gut aussehen …«
»Wir werden etwas dagegen unternehmen müssen«, sagte Nayala besorgt, nachdem sich der Gemeinschaftsraum bis auf die Myrmica und die spielenden Kinder geleert hatte und die anderen an ihre Arbeit gegangen waren. »Erst vor ein paar Tagen habe ich gehört, daß irgendwelche Fremde eine Gruppe von Kindern beschossen haben. Zum Glück ist nichts passiert …«
»Es ist sicher nicht gut, was in den Wäldern momentan im Gange ist«, sagte Pethar kauend, »aber du solltest dir keine allzu großen Sorgen machen. Euer Turm ist hier ziemlich geschützt. Und außerdem …«, er legte seine Hand auf Nayalas Unterarm, »… sind wir ja auch noch da. Noch heute wird eine Entscheidung gefällt werden müssen. Sonja hat sich übrigens wieder zur Wahl gestellt. Wenn sie gewinnt – und alles sieht danach aus –, wird der Rat der Patrouillenreiter die bisherigen Vorkommnisse nicht weiter ignorieren …«
»Ich weiß nicht«, sagte Nayala. Sie zuckte die Achseln. »Ich werde den Verdacht nicht los, daß die Umstände, unter denen wir bisher gelebt haben, in absehbarer Zeit andere sein werden. Es herrscht Aufbruchsstimmung – und nicht nur auf Adzharis. Ich glaube, alles deutet darauf hin, daß wir uns dem Ende einer Ära nähern.«
»Daß die Zeiten nicht ewig die gleichen bleiben«, sagte Pethar, »ist doch logisch. Aber das muß nicht bedeuten, daß wir alles hinzunehmen haben. Daß wir nicht wehrlos sind, solltest du doch am besten wissen. Wenn man uns bedrängt, werden wir uns wehren. Unsere Vorfahren – haben die Außenweltler schon früher in ihre Schranken verwiesen.«
Er ließ seinen Blick eine Weile auf dem putzigen Kleindrachen verharren und sagte dann: »Aber sollten wir uns nicht über angenehmere Dinge unterhalten?«
»Wenn du meinst …«
»Was mich an eurer Familie so fasziniert«, fuhr Pethar fort, »ist die Tatsache, daß ihr offenbar keine internen Probleme habt. Ihr arbeitet alle so wunderbar zusammen! Ich bin jetzt zum sechsten Mal in diesem Jahr hier und habe noch kein unfreundliches Wort vernommen …«
»Vielleicht heben wir sie uns für die Zeiten auf, in denen du nicht hier bist«, erwiderte Nayala lächelnd. »Aber im Ernst: Du darfst nicht glauben, dies sei immer so gewesen. Auch wir haben unsere Anlaufzeit gebraucht, um so weit zu kommen, wie wir jetzt sind. Manche, die zuerst glaubten, bei uns am richtigen Platz zu sein, sind wieder gegangen. Andere sind dafür gekommen …« Ihr Blick nahm einen träumerischen Ausdruck an. »Ich erinnere mich da an einen besonderen Fall, aber vielleicht sollte ich nicht darüber reden, weil du dann ausrechnen könntest, wie alt ich bin …«
»La Strega?« fragte Pethar lachend. »Ich habe davon gehört. Ich bin damals, glaube ich, noch nicht auf der Welt gewesen.«
»Sie verließ uns, weil sie der Meinung war, es Sei unerläßlich, sich mit den Technologien des Gegners vertraut zu machen. Es ist 20 Jahre her.« Sie seufzte.
»Hat man je wieder von ihr gehört?« fragte Pethar neugierig.
Nayala schüttelte den Kopf. »Sie hat aus eigener Kraft die Barriere überwunden und ist nach Transit City gegangen. Der letzte Gedankenimpuls,
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