Die Terranauten 056 - Die Drachenhexen
Er streckte den rechten Arm aus und streichelte ihre Hüfte. »Manchmal glaube ich wirklich, daß ich dich liebe, Nayala. Aber ich kann dir nun einmal geistig nicht das Wasser reichen, und das dürfte auf unsere Kinder sicher negative Auswirkungen haben.«
Nayala zog ihre langschäftigen Wildlederstiefel an und machte überraschend von ihren telekinetischen Kräften Gebrauch. Pethar stieß einen entsetzten Schrei aus, als die Decke, unter der er lag, sich plötzlich selbständig machte und durch das Zimmer flatterte. Nayala lachte laut, als er in komischer Verzweiflung seine Blöße bedeckte und gespielt grimmig vor sich hinmurmelnd im Nebenraum verschwand.
Das Turmzimmer besaß nur ein Fenster, aber das ließ genügend Licht herein, um ohne Schwierigkeiten arbeiten zu können. Nayala musterte die Rohskizzen, an denen sie während des vergangenen Tages gearbeitet hatte, und fragte sich, wann die Große Karte, an der sie und die vielen anderen nun seit sieben Jahren zeichneten, endlich fertig werden würde. Es gab noch soviel zu tun, denn das Drachenland war groß und nur dünn besiedelt. Zum Glück wurden die Kartographen von Patrouillenreitern wie Pethar großzügig in ihrer Tätigkeit unterstützt. Wenn sich jemand in der vom Rest der Welt abgetrennten Enklave auskannte, waren das die Männer wie Pethar, die nahezu ständig unterwegs waren und die einzelnen Turmgemeinschaften nur aufsuchten, wenn sich ihre Vorräte dem Ende zuneigten. Die Patrouillenreiter waren unabhängige Abenteurernaturen, die überall gern gesehen waren und das Recht hatten, ihr Nachtquartier in jedem Turm aufzuschlagen, der auf ihrer Reiseroute lag. Pethar und seine Genossen waren diejenigen, die den Kartographen alle Bezugspunkte lieferten, die nötig waren, um das geplante Kartenwerk genau und detailgetreu zu gestalten.
Die Arbeit der Patrouillenreiter beschränkte sich jedoch nicht nur darauf, den Kartographen markante Stellen der Landschaft zu verdeutlichen – sie waren auch dafür verantwortlich, die Gemeinschaft vor den zahlreichen Eindringlingen zu schützen, die die Barriere durchbrachen, um in den das Große Gebirge umgebenden Grüngürteln zu jagen.
Das Problem der Eindringlinge wurde von Monat zu Monat größer, und die Erfahrungen, die Pethar auf seinem letzten Flug gesammelt hatte, waren nicht die besten gewesen. Er war mit nicht weniger als drei illegalen Jagdexpeditionen konfrontiert gewesen. Offenbar gelang es immer Gruppen von Männern und Frauen aus der Außenwelt, Tausende von Kilometern in die Enklave vorzustoßen. Sie hatten bei seinem Anblick rücksichtslos von der Schußwaffe Gebrauch gemacht, und die Richtung, in der sie sich bewegten, ließ keinen Zweifel darüber offen, daß es ihre Absicht war, in die Ruinenstädte der Altvorderen einzudringen.
Die Rücksichtslosigkeit, mit der die fremden Eindringlinge gegen das in der Enklave existierende Leben vorgingen, war ein weiterer Grund zur Sorge: Die Myrmica, deren Aufgabe darin bestand, die frisch aus dem Ei geschlüpften neugeborenen Drachen zu betreuen und auszubilden, hatten erst vor kurzem die alarmierende Meldung verbreiten lassen, daß der Nachwuchs an pflanzenfressenden Flugdrachen immer geringer ausfiel. Bereits jetzt waren mehrere fleischfressende Drachenarten vom Aussterben bedroht.
Obwohl Nayala del Drago keine Spezialistin für die Fragen der Drachenaufzucht und -ausbildung war, wußte sie über dieses Thema doch genug, um sich die Konsequenzen ausmalen zu können, die auf sie zukommen würden, wenn man sich den immer frecher werdenden Eindringlingen nicht konsequent entgegenstellte. Wenn zuwenig Flugdrachen geboren wurden, stellte dies die Zukunft der noch ungeborenen Generationen ihres Volkes in Frage. Von außen hatte man keine Unterstützung zu erwarten, denn die Verbindung zum Sternenreich der Erde war seit langen Generationen unterbrochen. Es würde ihnen nichts anderes übrigbleiben, als das Problem mit eigenen Mitteln zu lösen, denn die fremden Jäger nahmen nicht die geringste Rücksicht auf die Notwendigkeit eines reibungslos funktionierenden Naturkreislaufs: Sie schossen alles ab, was ihnen vor die Laser kam.
Kurz darauf betraten Nayala und Pethar den im dritten Stock liegenden Gemeinschaftsraum des Turms. Die anderen Bewohner hatten das Frühstück zwar schon größtenteils beendet, blieben aber noch lange genug, um ihren Gast wenigstens willkommen zu heißen. Der Raum, in dem die Mahlzeiten eingenommen wurden, nahm fast eine ganze Etage
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