Die Terranauten TB 01 - Sternenstaub
Neonröhre. Sie stolperten durch die Dunkelheit, gingen über zerschlissene, uralte, von Moder zerfressene Teppichböden, strichen an Treppengeländern entlang und kamen über stillstehende Rolltreppen immer näher an die Lichtquelle heran.
Unter ihr wandte Mayor seinen Kopf nach links. Jetzt erst sah er die andere Frau. Sie schien das völlige Gegenteil von Jana zu sein. Zweifellos hatten sie denselben Vater, den Noman-Führer, der Ruppert genannt wurde, aber sie stammten nicht von derselben Mutter. Jana war weiß, schlank, groß, dünn wie ein Kind, kaum zwanzig Jahre alt. Das Beherrschende in ihrem Gesicht waren die großen dunklen Augen und der kleine, schön geschnittene Mund. Schön waren ihre endlos langen Beine und ihre zarten grazilen Finger, mit denen sie auch ohne Worte alles ausdrücken konnte.
Die andere, die Freya genannt wurde, war wesentlich kleiner. Aber eine richtige Frau, ein Vollweib. Sie bestand offenbar nur aus Rundungen, die unter einer dünnen Plastikbekleidung, silbern, metallisch, technisch, ein organisches Eigenleben zu führen schienen. Wo sich bei Jana nur sanfte Hügel erhoben, hatte Freya pralle Brüste, von denen der tief herabgezogene Reißverschluß mehr als nur die obere Hälfte zeigte. Sie mochte zehn Jahre älter sein als Jana, und ihre Lippen waren voll und rot und immer etwas schmollend.
Sieht nur so aus, Soldat!
Mayor zuckte zusammen und wäre fast gestürzt, wenn ihn die beiden Mädchen nicht gehalten hätten. Er sagte kein Wort, versuchte, keinen Gedanken zu fassen. Alles in ihm schrie nach Schlaf.
»Wir sind da«, sagte Freya. Unterhalb einer nicht mehr funktionsfähigen Rolltreppe gingen sie zu einem Seitentrakt einer großen hohen Halle. In der Mitte stand eine Leuchtplastik, die immer noch etwas funktionierte. In willkürlichen Abständen zuckten Farben auf, Bänder, die in schmutzigen Röhren entlangkrochen. Sie gingen nach rechts. Befanden sich vor einer Art Tresen, hinter dem metallene Gestänge standen. Haken daran. Sachen hingen an den Haken, Mäntel, Kleider, Pelze, alles etwas verrottet.
»Meine Garderobe«, sagte Freya stolz.
Sie klappte eine hüfthohe Tür auf und zog Jana und Mayor hinter sich her.
Mayors Augen hatten sich inzwischen an das Halbdunkel gewöhnt, das in der hohen Halle herrschte. Er konnte nur ahnen, zu welchem Zweck sie früher gedient haben mochte. Kulte? Religionen? Geschäfte? Was mochte einen solchen Bau rechtfertigen? (Er konnte nicht ahnen, daß die Erbauer des Internationalen Congress Centrums sich vor über 120 Jahren die gleiche Frage gestellt hatten.)
»Das hier ist mein Reich«, sagte Freya nüchtern. »Hier darf sonst keiner hin, jedenfalls nicht in unmittelbare Nähe. Früher gab es hier so eine Art Kleideropfer. Man gab seine Sachen ab und erhielt als Beweis für seine Freigiebigkeit silberne Marken, von denen ich noch einige gefunden habe.«
Mayor verstand nichts. Er bemühte sich auch gar nicht darum. Er beobachtete, trotz seiner Schwäche immer noch wach, wie Jana ihre Schwester aus zusammengekniffenen Augen beobachtete. Von fern drang gedämpftes Grölen. Das Fest mochte begonnen haben.
Freya nahm mit raschen Bewegungen Kleidungsstücke von den Haken, bis sie ein behagliches Lager zusammengeschichtet hatte.
»Leg dich hin, Legionär«, sagte sie rauh. »Du hast hier nichts zu befürchten. Schlaf dich aus, und wir sehen uns wieder, wenn es dir besser geht.«
»Ich bleibe bei ihm«, sagte Jana.
Freya lachte. Es klang etwas boshaft, aber nicht ohne Verständnis. »Du kommst mit, Schwester! Unser Vater würde es dir nicht verzeihen. Er ist in den letzten Jahren etwas älter geworden und nicht gerade flexibler. Er hat dich ohnehin freundlicher empfangen, als ich es erwartet hatte.«
»Du hattest mich erwartet?«
Schweigen. Die Schwestern sendeten auf einer Frequenz, die Mayor nicht mehr verstehen konnte.
Er hatte sich auf den muffigen Kleidungsstücken zusammengerollt und war im nächsten Moment eingeschlafen.
IX
»Ahhhh«, sagte der alte Mann in der großen runden Wanne, in der er nicht allein lag, »es geht nichts über ein entspannendes Bad. Bringt Ihr mir Neuigkeiten, Baldur?«
Der Adelige starrte angewidert auf die Szene. Der Alte hatte sich ein paar ausgewählte Schönheiten kommen lassen und räkelte sich faul-wollüstig im warmen blauen Seifenwasser. Die Mädchen kicherten und kniffen sich gegenseitig. Offensichtlich hatten sie sich vorher mit Jolly-Pillen in Stimmung gebracht. Es waren drei Mädchen. Das
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