Die Terranauten TB 01 - Sternenstaub
alle Bürgerrechte verloren hatte, allen Schutz – ein Noman.
Und dieses grazile Geschöpf flog an seine mächtige Brust und überdeckte sein stoppeliges graues Gesicht mit Küssen.
»Jana, Menschenskind«, murmelte der Noman-Führer, »wo hast du solange gesteckt?« Er musterte die anderen in der schwarzen riesigen Lack-Karre. Den Zentauren, Osmo, den dunklen Mann in seiner feierlichen, altertümlichen Bekleidung, VacQueiros, und schließlich den kranken, verwundeten Mann, der nicht wußte, wohin er gehörte: Mayor.
Sie waren umgeben von Nomans, Fackeln blakten, blasse Neonröhren altertümlicher Bauart summten insektengefüllt vor sich hin.
»Sind wir hier sicher?« fragte Jana rasch.
»So sicher wie du sein kannst, mein Kind«, grölte der breite, kleine Mann. »Du bürgst für dieses Volk?«
»Ich bürge.«
»Dann feiern wir ein Fest!«
Die Horde um sie herum fiel vielstimmig ein: »Feiern, feiern, feiern!«
FEIERN FEIERNFEIERNFEIERN
EIN FEST EIN FEST EIN FEST
NEIGEN KOSTEN NEIGEN KOSTEN NEIGEN KOSTEN
»Was heißt das, ›Neigen kosten‹?« fragte Mayor verwirrt.
»Bis zum Ende«, sagte der Vater Janas leise, »bis nichts mehr bleibt als die Neige des Lebens zu kosten. Vergiß nicht, daß wir Nomans sind.«
»In der Tat«, meinte VacQueiros, »scheint dies eine Basis zu sein, auf der es sich lohnt, eine neue Welt aufzubauen.«
»Einen Scheiß aufzubauen«, fiel ihm der kleine breite Noman ins Wort.
VacQueiros hatte das Auto noch nicht verlassen. Die Tür war offen, und er saß noch seitwärts auf den – echten – Ledersitzen, wollte sich herausschwingen, überlegte es sich anders und blieb sitzen. Und aus dieser sitzenden Haltung heraus fingen seine Augen an zu schreien, bis sich alles in seinem Blickfeld zurückzog.
Janas Vater hatte keine Angst. Er ging einfach auf den dunklen Mann im grauen Flanell zu, reichte ihm freundlich die Hand, zog ihn mit unwiderstehlicher Kraft aus der Luxuskarosse und sagte:
»Sie gehören zu den Magischen Menschen. Ich freue mich, jemanden wie Sie mal leibhaftig zu sehen. Aber erwarten Sie nicht, daß ich in die Knie sinke. Lassen Sie unsere Leute in Ruhe, keiner wird Sie angreifen. Ich bürge dafür. Feiern Sie mit uns. Ich lade Sie ein!«
Die gespannte Atmosphäre löste sich langsam.
»Wir haben nicht viel«, sagte Janas Vater, »ein paar Lämmer, die wir ohnehin schlachten wollten, ein bißchen Gemüse, das wir oben auf dieser gottverdammten Dachterrasse angebaut haben – und Bier und Wein aus unseren Destillen. Ehrlicher guter Alkohol. Keine Happy-Pills, kein Chemo-Scheiß. Einladung angenommen?«
»Angenommen«, sagte VacQueiros, tonlos, schwarz und beherrscht wie immer. Mayor nickte und blickte den Mann an. Die Sache würde Folgen haben.
Mayor fühlte, wie ihm schwindelig wurde. Der Wundschmerz setzte mit einer Heftigkeit ein, die sein Bewußtsein auszulöschen drohte.
»Er ist schwer krank, er braucht Ruhe«, sagte Jana rasch. »Freya, hilf mir, ihn in eine ruhige Ecke zu bringen. Ich kenne mich hier nicht mehr aus!«
»Deine Schuld, du mußtest ja nicht gehen«, sagte eine dunkle weibliche Stimme.
Mayor öffnete langsam die Augen. Wohltuend fühlte er, wie ihn sanfte Hände stützten und behutsam leiteten.
»Wenn das kein Empfang für einen Söldner ist«, sagte die rauhe Stimme des Noman-Führers. »Zwei meiner erlesensten Töchter führen ihn zu einer Lagerstatt!«
Mayor antwortete nicht, aber kalte Wut stieg in ihm hoch. Seitdem er denken konnte, war er herumgestoßen worden, ein Befehlsempfänger, der versucht hatte, es allen recht zu machen, und der doch nichts weiter fertig gebracht hatte, als Tod und Vernichtung zu säen. Sein Körper versteifte sich, er wollte sich umdrehen, aber die sanften Hände zogen ihn weiter durch das Halbdunkel und die zuckenden Schatten der Fackeln.
»Sei still, Ruppert«, sagte die Frau neben ihm. »Du kannst ihn verspotten, wenn er sich wieder erholt hat. Er hat immerhin Jan hergebracht!«
Der Noman-Führer schwieg nach einem kurzen heiseren Lachen.
Sie gingen weiter. Die Dunkelheit wurde dichter um sie. Das Lachen und Grölen der Nomans hinter ihnen wurde leiser. Mayor war klar, daß er den Zentauren und den Magischen Menschen in nicht gerade vertrauenswürdiger Gesellschaft zurückgelassen hatte. Aber im Moment war ihm alles egal. Er wollte schlafen, nur schlafen.
Nein, etwas war ihm nicht egal. Die Frau neben ihm. Nicht Jana, die ihn auf der anderen Seite stützte.
In der Ferne sah er eine blasse
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