Die Terranauten TB 05 - Kosmisches Labyrinth
Yronne und dem reglosen Gilco dann und wann finstere Blicke zu.
»Ein Bann lastet auf ihm«, krächzte die alte Frau. »Und er wird uns den Tod bringen, wenn ihr meinen Rat nicht folgt. Werft sie beide über Bord.«
Zwei der Märmale erhoben sich. Der Tragbalken schaukelte, als sie näher kamen.
Yronne packte eine neben ihr liegende Latte und holte zum Schlag aus. »Ihr rührt ihn nicht an!« fauchte sie, und die beiden Märmale wichen unwillkürlich zurück. »Kehrt an eure Plätze zurück und laßt ihn in Ruhe. Er ist krank.«
»Vielleicht hat er gar die Fäule.« Die alte Frau deutete mit einem krummen Finger auf den in Agonie Gefangenen. Ein dünner Blutfaden sickerte aus der Halswunde, in der noch immer der Bolzen steckte. Yronne hoffte nur, daß das Geschoß nicht vergiftet gewesen war.
»Halt endlich dein gehässiges Maul«, sagte der zarte Schüristi. Sein Sandabweiser war zerrissen, und er duckte sich, um dem Wind zu entgehen. »Altes Weib …«
Die Rantranen warf ihm einen zornigen Blick zu und knurrte etwas, das Yronne nicht verstand. Die beiden Märmale hockten sich wieder nieder.
Yronne sah sich um. Nur graubraune Öde, soweit das Auge reichte. Von dem großen Ebenensegler war nichts mehr zu sehen. Nichts rührte sich in dem zähen Staub. Keine Schuppen tauchten auf, keine Mäuler von Schluckern, keine Tentakel, die Holz bersten ließen.
Yronne schauderte und streichelte die kalten Wangen Gilcos. Sie wagte es nicht, den Bolzen aus der Wunde zu ziehen. Sie hatte nichts, mit dem sie ihn hätte verbinden können, und vielleicht verhinderte nur das noch im Fleisch steckende Geschoß eine stärkere – und womöglich tödliche – Blutung.
Stunden vergingen. Der Tragbalken wurden von den sanften Strömungen des Treibsandes davongeschoben, und der Wind begleitete sie auf dem Weg ins Nichts. Yronne versuchte, die Müdigkeit zu verdrängen und den Schlaf abzuwehren. Vielleicht begann die alte Frau wieder mit ihren Hetztiraden, und vielleicht hatte sie dann mehr Erfolg damit.
Irgendwann verdunkelte sich der Himmel über ihnen erneut. Die Lichtlosen Wolken zogen heran, und der Wind lebte wieder auf.
»Ho!« ertönte es in der Ferne. Und noch einmal: »Ho!«
Einer der vier Märmale richtete sich auf und spähte ins Zwielicht hinaus. In der Ferne glühten gelbe Lichter.
»Ein Schiff. Bei den Dunklen Scharen, es ist ein anderer Segler.«
Yronne hörte die Worte, aber sie hatte Schwierigkeiten, auch ihre Bedeutung zu erfassen. Ihre Zunge war aufgequollen und klebte wie ein trockener Schwamm an ihrem Gaumen.
»Ein Schiff. Ein Schiff!«
Dem Freudentaumel folgte Stille, als der fremde Segler näher kam. Dann sagte der Schüristi: »Ja, ein Schiff. Und seht die Fahne. Es sind Sklavenjäger …«
Als Garshen erwachte, war es völlig finster. Der Schein der Ewigen Flammen an der Wand war erloschen. Einige Augenblicke lang blieb der Dieb reglos liegen, noch nicht ganz wach, aber auch nicht mehr schlafend. Die Müdigkeit des Geistes war gewichen, doch seine Glieder waren noch immer schwer wie Blei und erfüllt von einer seltsamen Taubheit. Der Sharin schlug die Decke zurück, kletterte von den knarrenden Polstern und trat ans Fenster. Mit einem Ruck zog er die Vorhänge zurück.
Am Himmel klebten wieder die Lichtlosen Wolken, und unten in der Straße flimmerten nun die Talgfackeln und wenigen Glühsteine. Artisten boten ihre Künste dar, tanzten auf dünnen Drähten, die zwischen den Mauern gespannt waren, sprangen durch Feuerkreise, die von Magischen Symbolen genährt wurden und ließen domestizierte Gnome auf ihren Häuptern Neckereien treiben. Die Zuschauer klatschten und knurrten oder grunzten spöttisch.
Nacht.
»Ich habe eine ganze Hellzeit durchgeschlafen?« murmelte Garshen verwirrt. Sharin brauchten nur wenige Ruhepausen. Es war rätselhaft und unverständlich und eigentlich ganz unmöglich.
Und noch absurder war, daß die Müdigkeit noch immer in ihm klebte, einem Pesthauch gleich, den nur ein Desinfektor vertreiben konnte.
Er trat vor den Spiegel. Das von der Straße und den Feuern dort heraufsickernde Licht war kaum mehr als diffuse Trübe.
Garshen erschrak, als er sein Spiegelbild betrachtete.
Die Facettenaugen waren grau und glänzten nicht mehr. Beulen hatten sich dort gebildet, wo vorher nur Glätte gewesen war. Er hob die Zangenhände. Geschwüre bedeckten die Klauen, und kleine Rinnsale seines Lebenssaftes tropften daraus hervor. Der Dieb gab einen erstickten Laut von sich.
»Die
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