Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen
weiter. Wie viele vor Tirion hatten es versucht … und waren gescheitert? Aber diesmal – das Sanctum glühte so hell, schenkte solch intensive Wärme.
Die Treppe war wie ein schier endloser, stufiger Wurm.
Tirion stieg empor, mit gleichmäßigen Schritten, hielt in bestimmten Abständen inne und lehnte sich dann an die Felswand, um ein wenig auszuruhen. Doch die Unruhe in dem Neutrumjünger trieb ihn immer wieder vorwärts. Sonderbare Inschriften zierten einige der Stufen; es waren Zeichen, die auch in den ältesten der alten Bücher zu finden waren, und selbst die Weisen Titanenjünger hatten sie nie entziffern können. Einige der Symbole waren so angeordnet, daß sie wie eine Baumkrone wirkten.
Bald lagen auch die Bereiche der Seidenspinner unter Tirion, und der Wind, der an den Graten entlangflüsterte, wehte die Stimmen der Kletterer und Sammler davon. Der Neutrumjünger blickte empor. Es hatte beinah den Punkt erreicht, an dem sich die Stufen nach rechts wandten und in den Höhlengang hineinführten, der nach einigen Dutzend Metern dann an die Monumentenschwelle stieß. Der dunkle Tunnelzugang … er glich einem finsteren Maul ohne Zähne, einem Schlund, der in den Magen eines Höllenwesens führte. Tirion fuhr seine Augenklappen ganz auf und erkannte Maserungen in dem Dunkel, feine farbliche Abstufungen, ein Grau in der Ferne. Und es hatte für einen Augenblick den Eindruck, als zitterte der Tunnel, als warte er nur darauf, daß es ihm näher kam.
Tirion griff nach dem Sanctum.
»Laß mich vorbei«, sagte es, und die Stimme vibrierte; der Atem war eine silberweiße Fahne vor seinen Knochenlippen. Die rudimentären Kiemen an den Hüften überzogen sich mit einer dünnen Eisschicht.
Farbnebel durchzogen die Öffnung des Wandernden Tors. Tirion vernahm ein Flüstern, das es zunächst für eine Laune des Windes hielt. Dann aber ertönte es erneut – und es kam ganz eindeutig aus der Toröffnung.
»Bist du erwacht, Titan?« fragte es. »Hörst du?«
Keine Antwort.
Zögernd erklomm Tirion zwei weitere Stufen. Eisige Kälte wehte aus dem finsteren Maul.
»Bitte … antworte mir doch.« Noch eine Stufe. »Bist du es, Titan?«
Das Wandernde Tor bewegte sich.
Diesmal war es keine Einbildung, nicht zurückzuführen auf überreizte Sinne. Der dunkle Schlund dehnte sich aus und wehte einer Wolke gleich die steinernen Stufen hinunter. Ein kehliges Grollen ertönte.
Das Sanctum läutete hell und mißtönend.
Tirion starrte in das Tor hinein. Eine schattenhafte Gestalt – ein Wesen ohne feste Körperkonturen und einem Gesicht, das nur aus einem purpurnen Auge bestand – wogte dort hin und her.
Tirion wandte sich um und stürzte mit wehendem Mantel die Treppe hinunter. Hinter dem Neutrumjünger knisterte und rumorte es. Und plötzlich wurden seine Schritte langsamer.
»Titan, bitte …«
Tirion drehte sich um, und es war, als müsse es dabei gegen einen zähen Widerstand ankämpfen, der sich seinen Armen und Beinen entgegenstemmte.
Die Schattengestalt im Innern des Wandernden Tors starrte mit glühendem rotem Auge. Tirion verlor sich in diesem Blick und spürte nicht, wie sich die Schwärze des Tors um seinen Körper schloß. Das Sanctum an seinem Hals glich einem leuchtenden Fanal in der Nacht.
Die Gestalt streckte einen Schemenarm nach Tirion aus. Das Sanctum läutete schrill, und nur einen Augenblick später ertönte kreischendes Heulen. Das konturlose Geschöpf zerfaserte, und eine dahinfauchende Windbö schleuderte die Reste in die Tiefen des Torschlunds. Tirion verspürte einen starken Sog, verlor den Halt und stürzte ebenfalls in den Tunnel hinein. Der Schrei des Neutrumjüngers verhallte ohne Echo in den Transferstraßen des Netzes, in den Irrgärten und Labyrinthen und Fallenschleifen Tausender Welten von Ohne Grenzen.
Der Yrisith-Traumdiener stöhnte leise, als Djunath tiefer eindrang in die Möglichkeitswelten seines Geistes und Bilder sah, die andere Gedanken formten. Der störende Laut beeinträchtigte die Konzentration des Schwarzen Fürsten, und er schlug die Augen seines wirklichen Gesichts auf. Wärme ging von den magischen Flammen aus, die aus den Symbolen der alten Worte auf den Fliesen des Bodens wuchsen, Wärme, die seinen Körper umschmeichelte und sein Innerstes mit Wohlbehagen erfüllte. In der Ferne vernahm Djunath das sanfte und gleichmäßige Flüstern der Ratgebenden Stimme. Das Weise Mosaik wartete auf die siebzehn restlichen Malachittränen. Noch immer.
Der am Boden
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