Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen
so dünn, daß wir bald sterben würden. Und selbst wenn wir das ertrügen … die Drachen würden uns ihren Jungen zum Fraß vorwerfen.«
»Drachen?«
Tirion griff nach den Facetten des Sanctums und lauschte eine Weile.
»Ja«, sagte der Neutrumjünger dann. »Ich sehe sie ganz deutlich vor mir. Einst hat ein Weiser Titanenjünger diesen Weg über das Gebirge beschritten. Ich spüre, wie sich Krallen in seinen Körper bohren, er durch die Lüfte getragen und in ein Nest geworfen wird.« Tirion gab einen unterdrückten Schrei von sich und schlug wieder die Augen auf. »Er starb, dort oben.«
»Tirion.« Narda beugte sich vor. Ihr Körper zitterte vor Erregung. »Tirion, würdest du viel Zeit gewinnen, wenn wir eine Möglichkeit hätten, das Gebirge auf direktem Wege zu überwinden und zum Monument des Titanen zu fliegen?«
»Fliegen?« Er sah sie an, und Skepsis glomm in seinen Augen. Er hielt noch immer Abstand von ihr – eine Tatsache, die Nayala schmerzte –, aber sie spürte auch Wärme in ihm, die ihr galt.
»Ja.« Und sie erzählte ihm in knappen Worten von Adzharis und den Drachen dort.
»Du bist auf den Rücken von Drachen geflogen?« fragte er ungläubig.
Sie nickte. »Ja, glaub mir, Tirion, es stimmt. Natürlich sind die Drachen hier bestimmt ganz anders als die meiner Heimatwelt; dort konnte ich mit ihnen sprechen. Aber ich könnte es versuchen.«
Ihr Blick glitt zu dem Sanctum.
»Tirion?«
»Ja?«
»Als ich in dieses von den übrigen Transitschleifenregionen separierte Land geriet, hatte ich einen Malachit bei mir, einen Grünen Stein, mit dessen Hilfe ich mit den Gedanken sprechen konnte. Ich verlor den Stein während des Transfer. Besäße ich ihn jetzt noch, dann fiele es mir bestimmt leichter, Kontakt aufzunehmen zu einem Drachen.«
»Also«, seufzte Tirion, und der Schimmer der Hoffnung in ihm verblaßte wieder, »also ist es aussichtslos.«
»Eben nicht.« Nayalas Gesicht glühte. »Tirion, wenn du mir dein Sanctum geben würdest … ich spüre die Kraft des Amuletts; sie ist viel stärker, als es die meines Malachits war. Bitte, Tirion. Gib mir das Sanctum. Ich klettere empor und bewege einen der Drachen dazu, uns zum Monument zu tragen. So gewinnst du viel Zeit – und wir können zusammenbleiben. Verstehst du, Tirion?«
»Das Sanctum?« murmelte der Neutrumjünger. »Du verlangst, daß ich mich von meinem Sanctum trenne?«
»Nicht für immer, Tirion. Nur für eine Weile. Ich komme zurück.«
»Und wenn dir die Drachen nicht gehorchen? Wenn du stirbst dort oben zwischen den Felsen? Dann ist das Sanctum verloren. Dann wird nie ein Neutrumjünger die Monumentenschwelle überschreiten können …«
»Hast du nicht selbst gesagt, du seist dir sicher, es gelänge dir, den Titanen zu wecken? Ich gebe dir die Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit zurückzukehren zum Monument, Tirion …«
Er zögerte, dann streifte er das Sanctum ab und reichte es Nayala.
»Nayala, bitte … geh vorsichtig damit um …«
Als sie es sich um den Hals legte, löste sich die bleierne Schwere in ihren Gliedern sofort auf, und neue Energie durchströmte ihre Muskeln. Sie stand auf und blickte zu den hohen Graten empor. Irgendwo dort oben befanden sich die Drachenhorte.
»Du kannst dich auf mich verlassen«, sagte sie. »Ich komme zurück, Tirion. Ganz bestimmt.«
Ja, dachte sie, ich habe auch gar keine andere Wahl.
Das Hügelland lag weit unten, und die nebligen Schleier des Hitzedunstes verbargen es unter einer fast milchigen Glocke. Der Bach, der den Eingeweiden des Gebirges entquoll und weiter draußen zu einem breiten Fluß wurde, der das Land durchteilte, war aus dieser Höhe betrachtet nur ein dünner silberner Faden. Nayala stieg weiter.
Manchmal ertönte kehliges Krächzen weit über ihr, aber bisher hatte sie noch keinen Drachen zur Gesicht bekommen. Wenn sie sich auf das Sanctum konzentrierte, vermochte sie den rudimentären Gedankenströmen der Geflügelten zu lauschen. Sie waren natürlich völlig anders als die der Drachen auf Adzharis, aber das war auch nicht weiter verwunderlich.
Die Steine waren kalt, hier und dort mit glitzernden Eisfladen überzogen. Sie mußte achtgeben, nicht abzurutschen. Die steilen Wände eines Kamins nahmen sie in sich auf. Sie preßte die Füße gegen den Fels auf der einen Seite und den Rücken an den Granit auf der anderen. Auf diese Weise schob sie sich allmählich in die Höhe.
Das Sanctum leuchtete, ruhig, tröstend, mit einer warmen Stimme, die
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