Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen
Ihr Gesicht war blaß, die Lippen spröde – und ihr Leib beinah so hart wie Stein. Arvid setzte seinen Rucksack ab, entnahm ihm einen Behälter mit Wasser und träufelte etwas von dem Naß auf einen Lappen, mit dem er der Frau über die Stirn strich.
»Wach auf«, murmelte er; Sorge stand in seinen Zügen geschrieben. »Wach auf …«
Ihre Lider zuckten nervös. »Ar …vid«, brachte Narda undeutlich hervor. Sie sah ihn an, und ihr Blick war noch wie verschleiert. »Arvid … du mußt mir helfen.«
»Darum bin ich hier«, sagte er.
VII
Ohne Grenzen ist eine sonderbare Welt. In gewisser Weise hat sie Ähnlichkeit mit Rorqual. Es leben verschiedene Völker hier, aber sie sprechen doch eine gemeinsame Sprache – auch wenn es verschiedene Dialektformen gibt. Die Schwerkraft scheint in allen Regionen gleich zu sein, und auch das erinnerte an die Welt in Weltraum II.
Rorqual war eine Kunstwelt, stabilisiert von dem Weltenbaum, der in ihrem Innern wuchs. Verhält es sich mit Ohne Grenzen ebenso? Und wenn es so ist … wer schuf dann diese Welt?
David terGorden – Überlegungen
Die sechzehn Malachittränen sind noch nicht in dich eingefügt?
Nein, Djunath zögert.
Wenn er sich weigert, mußt du ihn dazu zwingen.
Ich weiß, Falscher. Ich werde tun, was nötig ist.
Vielleicht können wir den Vielgestalter endlich lokalisieren, wenn dein Muster bis auf eine Träne komplett ist. Es ist wichtig.
Ich weiß. Ich werde dafür sorgen, daß ich die Malachittränen umgehend erhalte.
Das Weise Mosaik, Dialog mit dem Falschen
Der Bach sprudelte frisch und klar über das Geröll und hatte sich in vielen Jahren ein Bett gespült, eine Kerbe im Fels. Das Wasser entsprang irgendwo oben in den einsamen Höhen des Gebirges, vielleicht in den Regionen des ewigen Eises.
Tirion hockte am Ufer, die Füße umschmeichelt von der Nässe. Nayala kroch an seine Seite und legte die Hand auf seinen Arm. Der Neutrumjünger zitterte, zirpte und rückte fort.
»Nein, Nayala, nein das darfst du nicht. Komm mir nicht zu nahe, Nayala.«
»Tirion …« Ihre Augen schimmerten feucht, und die Gischt des Baches benetzte ihre Haut mit perlender Frische. »Tirion, ich ertrage das nicht …«
Er sah sie an. Die Veränderung seines Körpers war weiter fortgeschritten. »Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen, auf die ich mein ganzes Leben lang vorbereitet wurde. Und du verhinderst, daß ich meine Pflicht wahrnehmen kann.«
Nayala weinte lautlos.
Warum hast du den Verflucher getötet? erklang es in ihrem Innern. Er hat dir Liebe geschenkt. Er hat dich genährt. Du bringst nur Unheil. Der Schüristi starb durch deine Schulde und Tirion wird ein Herd des Kummers.
Und:
Du mußt lieben, Nayala. Du erinnerst dich doch an die letzten Worte Shahraks. Liebe, Nayala, liebe!
»Als Neutrum bin ich offen«, sagte Tirion. Seine Körperstatur ähnelte inzwischen mehr denn je der eines Humanoiden, und sein Gesicht begann bereits menschliche Züge anzunehmen. Zwischen seinen Beinen hatte sich eine Ausbuchtung gebildet; ein Glied wuchs dort. »Nur ein Neutrum kann die Stimmen des Sanctum steuern. Nur ein Neutrum kann die Monumentschwelle überschreiten und den Titanen wecken. Warum tust du mir das an, Nayala? Das Wecken des Titanen wäre die Erfüllung meines Lebens, das höchste Glück, das ich erleben kann.«
»Tirion, ich …« Sie streckte wieder die Hand nach ihm aus, und er wich weiter von ihr fort.
»Allein deine Nähe, Nayala …« Seine Augen blickten in das dahingurgelnde Wasser. Er schwieg eine Weile, dann wandte er den Kopf und musterte sie mit starrem Blick. Nayala hatte das Gefühl, eine eisige Klammer schlösse sich um ihr Herz.
»Du mußt mich verlassen, Nayala, Fremde. Du mußt fortgehen und mich vergessen.« Er deutete auf das Gebirge, dessen Gipfel bis in die Wolken hineinreichten. »Ich muß einen Umweg machen, der mich viel Zeit kostet.« Es berührte das Sanctum auf seiner Brust. »Bis zum Monument des Titanen ist es noch immer sehr weit. Und je länger du bei mir bleibst, Nayala, desto mehr verändert sich mein Körper. Ich werde zum Stabilmann, und dann wird meine Gabe für immer schlafen. Dann wird das Sanctum an einen anderen Neutrumjünger übergehen. Nayala, ich … ich spüre, was du für mich empfindest. Beim Titanengeist, meine Gedanken ketten sich an die deinen, wenn du noch länger an meiner Seite weilst.«
»Können wir das Gebirge nicht übersteigen?«
»Nein, das ist völlig ausgeschlossen. Dort oben ist die Luft
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