Die Terranauten TB 10 - Der Sternenfänger
angehören, Sternenfänger. Darf ich sie Ihnen überspielen?«
Chagar dachte: Nicht jetzt. Warten Sie damit.
Dann war alles still.
Das Bewußtsein des Sternenfängers verschmolz mit den Bordsystemen des kleinen Stellartraktors. Es war, als schwebte er außerhalb des schützenden Ergpanzers. Er schmeckte die ungeheure Gluthitze der unmittelbar vor ihm im Raum klebenden Sonne. Ihr Typus entsprach genau dem der anderen bereits in der Sonnensphäre integrierten Sterne. Er tauchte ein in die hervorbrodelnden Protuberanzen, und seine Identität – es war im Augenblick die eines Architekten, eines vitalen Architekten – genoß die Hitze, die kochende Energie, die durch die Umwandlung von Wasserstoff in Helium freigesetzt wurde. Er glitt an den dicken imaginären Türmen der Strahlungsverbindung zu den tief in der Sphäre installierten Kollektoren entlang, die den Energiehaushalt der gefangenen Sterne kontrollierten und steuerten und stabilisierten. Tramur ahnte nicht, welchem Zweck sie dienten. Dazu reichte die Phantasie des Vorsitzenden bei weitem nicht aus. Und wenn der Tag der Offenbarung kam, würde er ohnehin nichts mehr ausrichten können. Chagar betrachtete die Lücke, die jetzt ausgefüllt wurde: ein Loch in dem Gespinst aus Energie, eine Spalte in einer Wand aus purer Kraft. Die Bordsysteme des Schleppers projizierten die genauen Koordinatenangaben ins Bewußtsein des Sternenfängers. Seinen mentalen Hände bedienten Kontrollen und justierten die Abzapfer neu. Die manipulierte Raum-Krümmung … sie war eine Deformierung im Gefüge der Zeit, eine breite Straße über die ein Sturm wehte, dessen Böen die eingefangene Sonne langsam und vorsichtig auf die Sphäre zudirigierten. Der energetische Panzer war vollkommen stabil und schützte den Schlepper, der mitten in der Chromosphäre des Sterns schwebte. Weiter unten sah er die dunkleren Flecken auf der Gluthaut der Sonne – kühlere Zonen, umgeben von kochendem Plasma. Die Gravitationsbande zwischen dem Gestirn und seinen Planeten lösten sich auf. Die AEE übernahmen nun die Kontrolle über die beiden bewohnten Welten, während die anderen zurückblieben und in einer Entfernung von einigen Lichttagen gesprengt wurden. Chagar dachte an die Wolke und den verborgenen Emigrationsplaneten Fresco. Er würde nicht noch einmal den Fehler begehen, die Asteroidenschale noch zu vergrößern.
Die Gedanken der dem Zirkel angeschlossenen Architekten waren trübe Rinnsale, faserige Schleier, dünne Vorhänge, die dann und wann aufrissen. Verachtung stieg in dem Sternenfänger empor. Sie gaben sich noch immer der Illusion hin, die eingefangenen Sonnen wirklich steuern und ihren Energiehaushalt kontrollieren zu können. Das war einfach lächerlich! Durch die wiederholte Übertragung der verschiedenen Identitätsmatrizen waren ihre Körper längst deformiert und ihre Vitalität bis zur Unkenntlichkeit degeneriert. Es dauerte nicht lange, bis sich die ersten Architektenegos aus dem Zirkel zurückzogen, bis der Steuerungskreis an vielen Stellen Lücken und Spalten aufwies. Sie ermüdeten rasch. Und ohne die Anleitung des Sternenfängers wären sie überhaupt nicht mehr dazu in der Lage gewesen, der Belastung standzuhalten. Chagar spürte ein Prickeln tief im Innern seines Körpers. Auch er mußte sich bald wieder einer Regeneration unterziehen. In anderen Gestalten waren Fleisch und Muskeln stark, aber sein Geburtsleib alterte und verbrauchte sich rasch.
Chagar übernahm auch die Funktionen der Architekten. Die Gravitationskrümmer des Schleppers entließen die Sonne nicht aus ihrem energetischen Griff. Bald darauf wurde die Zielposition erreicht, und der Sternenfänger überwachte die Stabilisierung. Protuberanzen wuchsen zu Plasmazungen zusammen und bildeten gleißende Materiebrücken, die Unterschiede in der nuklearen Balance ausglichen. Es fiel ihm nicht schwer. Es war inzwischen nichts weiter als Routine. Und während er damit beschäftigt war, beobachtete ein anderer Teil seines Geistes die von den beiden bewohnten Welten dieses Sterns aufsteigenden Raumschiffe. Dünne zerbrechliche Metallhüllen waren es, zum Bersten gefüllt mit primitiven Gerätschaften, die zu häufigen Ausfällen und Fehlfunktionen neigten. Er sandte einen mentalen Befehl an die AEEs, und es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sich die Raumschiffe in radioaktiven Staub verwandelt hatten. Der genetische Pool, den die beiden bewohnten Planeten dem vielfältigen Leben innerhalb der Sonnensphäre
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