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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Ängste, es verdiente, von jemandem verehrt zu werden, und schon gar nicht von einemaufrechten, loyalen Glaubensbruder wie Pavel. Er räusperte sich.
    »Du kennst die Aufgabe, Bruder Pavel«, sagte er.
    Pavel nickte und zuckte gleichzeitig mit den Schultern.
    Sie stiegen weiter nach oben.
    »Es wird jemand kommen«, sagte Abt Martin.
    »Zu uns?«
    »Zu ihr .« Martin deutete in die Finsternis, aus der sie emporkletterten.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich spüre es. Ich höre es. Ich stehe vor ihrem Versteck und fühle, wie sie wartet. Es ist, als ob sie zu mir spräche, auf eine Weise, die die Ohren nicht erreicht, aber die man trotzdem vernimmt. Sie wartet. Wer wartet, zu dem wird irgendwann jemand kommen.«
    Er hörte, wie Pavel vorsichtig einatmete.
    »Ehrwürdiger Vater …«, begann er.
    »Es wird jemand kommen«, wiederholte der Abt. »Die Zeit des Friedens ist vorüber. Ich weiß es. Sie weiß es.«
    »Ehrwürdiger Vater …«
    »Spürst du es nicht, Pavel? Du bist Tag und Nacht in ihrer Nähe. Spricht sie nicht zu dir?«
    »Ich muss umkehren, ehrwürdiger Vater.«
    Martin blickte auf und erkannte, dass sie oben an der Tür angekommen waren. Mechanisch griff er nach dem Schlüsselbund. Pavels Gesicht sah im einfallenden Licht jung, hager und bleich aus. Die Kapuze beschattete seine Augen, doch Martin wusste, dass der junge Kustode ihn musterte. Er versuchte vergeblich zu lächeln.
    »Wir müssen darauf vorbereitet sein«, sagte er und legte Pavel erneut die Hand auf die Schulter. Pavel griff nach ihr, drückte sie fest und küsste sie dann.
    »Gott der Herr segne und behüte uns«, sagte er.
    »Ja«, sagte Martin. »Amen.«
    Er sah Pavel zu, wie dieser die Treppe hinunterstieg, bis die Dunkelheit ihn samt seiner schwarzen Kutte verschlang. Dann schloss er die Tür auf, trat ins Freie und verschloss sie wieder sorgfältig. Als er sich abwandte, begann der Wurm in seinem Herzen bereits zu nagen: Hatte er sich wirklich vergewissert, dass die Ketten um die Truhe fest saßen?
    10
    »Was hat er gesagt?«
    Der Heilige Vater war nicht ganz bei der Sache. Die breitschultrige Gestalt Ippolito Aldobrandinis – Papst Clemens VIII. – saß zwar reglos in seinem Sessel, seinen Bittstellern zugewandt, aber der Kopf mit seinem wallenden weißen Großvaterbart neigte sich ständig zur Seite, und seine eindrucksvoll geschwungenen Brauen hoben und senkten sich unaufhörlich, während er gleichzeitig dem Flüstern der Priester lauschte, die links und rechts neben seinem Stuhl standen. Flüstern – Papst Clemens, nach seinen hinfälligen und vergreisten Vorgängern endlich wieder ein Mann, welcher dem Äußeren nach zu schließen voller Kraft und Leben steckte, war so taub wie eine Nuss, und was er an leisen Tönen hätte hören können, verschlang das Geraschel der vittae , der beiden losen Bänder an der Tiara, die nach hinten hätten herunterhängen sollen, ihm aber ständig über die Ohren fielen.
    Pater Hernando war der Nächste in der Reihe derer, die zur Privataudienz des Heiligen Vaters zugelassen waren, und obwohl das bedeutete, dass er mindestens zwanzig Schritte entfernt war, verstand er jedes Wort, das Papst Clemens an den Mann richtete, der vor ihm kniete. Was das betraf, verstand er auch jedes Wort, das der Kniende vorzubringen hatte; nicht, weil dieser selbst so laut gesprochen hätte, sondern weil der eine Priester an des Papstes Seite es mit donnerndem Flüsternin eine für den Heiligen Vater vernehmbare Lautstärke übersetzte.
    »Raben?«, erwiderte der Papst mit seinem eigenen dröhnenden Flüstern.
    »Knaben, Heiliger Vater. Es geht um die Knaben.« Der zweite Priester deutete etwas an, was ihm selbst bis zum Brustbein gereicht hätte. »Junge männliche Kinder, Heiliger Vater.«
    Papst Clemens neigte sich zu dem Priester an seiner anderen Seite. »Ein guter Hinweis«, flüsterte er in voller Lautstärke. Die Augen des Priesters, in dessen Ohr er flüsterte, zuckten schmerzvoll. »Wir hätten beinahe vergessen, danach zu fragen. Wie viele hast du selektiert, mein Guter?«
    »Knapp zwei Dutzend, Heiliger Vater.«
    »Zwei Dutzend.« Papst Clemens nickte.
    Der Mann auf dem Boden sagte etwas. Pater Hernando konnte von hinten erkennen, dass seine Ohren glühten.
    »Hä?«
    »Er sagt, es sind drei, Heiliger Vater. Nur drei, aber trotzdem –«
    Papst Clemens lächelte auf den Mann vor seinem Thron nieder. »Du hast Uns drei von den göttlichen Geschöpfen mitgebracht, mein Sohn? Der Segen des Herrn sei mit

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