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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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er.
    »Hätte meine eigene Mutter sein können«, sagte Andrej, aber er erwiderte das Lächeln nicht. Er wandte den Blick ab.
    »Was haben Sie hier verloren?«
    »Wie ich sagte: Jarka sucht nach den Spuren ihrer Mutter. Ich habe Grund zur Annahme, dass sie hier in diesem Kloster umgekommen ist.«
    »In diesen gottverlassenen Ruinen?«
    Andrej spähte über den Rand und zog den Kopf wieder zurück. In seinem Gesicht arbeitete es. Er warf Cyprian einen Seitenblick zu. »Hat sich ganz schön verändert, seit ich zuletzt hier war.«
    »Sie waren schon einmal hier?«
    »Als kleiner Junge. Als hier der Aussatz noch nicht herrschte. Als es noch ein Tor gab in jenem Torbogen.«
    »Mit Ihrer Mutter?«
    Andrej erstarrte. Cyprian war betroffen, wie sehr sein Körper sich versteifte. Andrejs Blick war fast gehetzt. »Wie?«
    »Jemand hat mich gelehrt, auf gewisse Dinge Acht zu geben. Ich habe Recht, oder?«
    »Der Jemand, für den Sie hier spionieren?«
    Cyprian grinste schwach.
    »Was suchen Sie hier, Cyprian?«
    »Was ist Ihrer Mutter zugestoßen? Und – Jarkas? Das ist Jarmila, oder? Sie nennen sie Jarka?«
    »Ich weiß, was Sie hier wollen«, sagte Andrej.
    »Tatsächlich?«
    »Ich kenne Typen wie Sie. Mein Vater suchte das Gleiche hier. Gefunden hat er nur den Tod.«
    Cyprian sagte sehr langsam: »Ich denke, wir sollten uns gegenseitig reinen Wein einschenken.«
    »Fangen Sie an.«
    Cyprian hob die Hand. Sein Blick schweifte ab.
    »Was …?«
    »Seien Sie still!«, zischte Cyprian. Andrej presste sich noch enger an die Böschung. Seine Augen erwiderten Cyprians Blick. Auch er hatte es gehört.
    Cyprian hob den Kopf so vorsichtig wie ein Landsknecht, der in einer umkämpften Stadt um die Ecke späht. Die Ruine lag immer noch so tot und stumpf vor seinen Augen wie zuvor. Andrej schob sich neben ihm nach oben. Als Cyprian zu glauben begann, dass er sich getäuscht hatte, hörte er es wieder: ein Scharren und Schlurfen. Als es verstummte, rasselte etwas. Cyprian schluckte, als ihm klar wurde, dass das Rasseln der Atem eines Menschen war. Dann stand plötzlich eine hochgewachsene Gestalt in der Lücke, die als neuer Tordurchgang diente. Sie trug eine zerfetzte schwarze Kutte mit einer Kapuze über dem Kopf.
    Andrej machte ein Geräusch in der Kehle, das Cyprian dazu veranlasste, seine Pranke auf Andrejs Hand zu legen. Sein Begleiter hatte die Faust in den halb gefrorenen Dreck gekrallt. Vorne pendelte die schwarze Gestalt, den Kopf unter der Kapuze, hin und her wie eine Schlange, die glaubt, Witterung aufgenommen zu haben.
    Cyprian rutschte unter die Kante der Böschung und zog Andrej mit sich. Sein Herz schlug bis zum Hals, und auf einmal spürte er die Kälte und Nässe des Bodens, auf dem er lag. Er hatte einen Blick in das Gesicht unter der Kapuze werfen können, bevor er in Deckung gegangen war.
    Er hatte etwas erblickt, das nicht menschlich ausgesehen hatte, und in zwei Augenlöchern etwas zucken sehen, dem Schmerz, Hass und Einsamkeit alle Menschlichkeit genommen hatten.
    8
    »Ihre Geschichte ist unvollständig«, sagte Cyprian. Er und Andrej hatten sich zwischen die vollkommen leblos daliegenden Hütten zurückgezogen, die das Dorf rund um das ruinierte Kloster bildeten. Mittlerweile hatte ein Nieselregen eingesetzt, der zur Hälfte aus Eiskristallen und taumelnden Schneeflocken bestand. Sie duckten sich unter einen löchrigen Dachüberstand.
    »Wie damals«, brummte Andrej. »In dieser Gegend ist es ständig Winter.«
    Cyprian beobachtete die schwarze Gestalt, die durch das Flimmern des Niederschlags sichtbar war wie ein langsam flackerndes Loch in der Realität. Sie schlurfte um das Kloster herum, blieb da und dort stehen, kratzte mit umwickelten Fingern auf dem Boden oder an den Steinen und taumelte dann weiter. Es hatte sich keine weitere Gestalt gezeigt. Irgendetwas in Cyprians Hirn weigerte sich, das Wesen in der Kutte als Menschen zu bezeichnen.
    »Was ist aus Ihren Eltern geworden?«
    Andrej sah auf. »Das ist es, was meine Geschichte und die Jarkas verbindet. Ich weiß es nicht mit Sicherheit. So wie sie nicht weiß, was mit ihrer Mutter geschehen ist, außer, dass sie tot sein muss. Aber ich bin Zeuge geworden, wie ein Dämon ein Dutzend Frauen ermordet hat, und es passt damit zusammen, was sie von ihrer Mutter weiß.«
    »Der Dämon war ein Mönch, und Mönche pflegen Menschen zu sein«, sagte Cyprian.
    Andrej wies mit dem Kinn zu der schlurfenden Schattengestalt, ohne hinzusehen. »So wie das

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