Die Teufelsbibel
aus der zerstörte Zahnruinen schimmerten. Das Loch in ihrem Gesicht war von Pusteln umgeben, die über die linke Wange und zum Kinn hinabkrochen, um dort das Zerstörungswerk fortzusetzen. Stillzustehen und nicht zurückzuprallen war alles, was Cyprian tun konnte. Er betete, dass sein Gesicht sich nicht vor Ekel verzog; als der Anblick des vernichteten Antlitzes verschwamm, wurde ihm bewusst, dass ihm stattdessen Tränen in die Augen gestiegen waren.
Die Frau starrte ihn unbewegt an, große Augen unter eleganten Brauen. Sie bewegte den Mund. Er wusste nicht, ob das Fleisch ihrer unteren Gesichtshälfte schon tot war oder ob es schmerzte, als die Wunde an ein paar Stellen aufriss und Flüssigkeit in den Rissen schimmerte; und er konnte kaum verstehen, was sie sagte, aber sein Gehirn übersetzte, was seine Ohren sich aufzunehmen weigerten.
Sie sagte: »Dank sei dem Herrn, dass ihr gekommen seid.«
Der alte Mönch lag auf einem Lager aus Stein; sie hatten versucht, es mit Lumpen und trockenem Gras bequemer zu machen, aber er hatte alles heruntergefetzt und wälzte sich nun schwach auf dem nackten Stein. Sein eingefallener Mund stieß die geflüsterten Gebete aus, trockener Schaum in den Mundwinkeln. Cyprian trat vorsichtig näher heran, gefasst auf den Gestank von Verwesung und Exkrementen, doch alles, was er wahrnahm, war der staubige Geruch von ungeheuer altem Sackleinen und einem noch älteren Körper, der darin vertrocknete. Hände und Füße des Mönchs waren nackt, fast fleischlos, Haut und Knochen; sein Kopf lag auf der Kapuze, anstatt sich darin zu verstecken.
Cyprian hob die Fackel und beleuchtete den alten Mann. Er hatte sie mit zusammengebissenen Zähnen von der aussätzigen Frau übernommen, mit dem Gefühl, es ihr schuldig zu sein, seine bloßen Hände nicht zuerst mit seinem Ärmel zu schützen. Ihrem Gesicht war nicht anzumerken gewesen, ob sie seine Geste würdigte oder nicht. Der alte Mönch blinzelte in die Flamme. Ungläubig trat Cyprian noch einen Schritt näher.
»Er hat keinen Aussatz«, brachte die Frau hervor. »Hat ihn nie bekommen – in all den Jahren nicht.«
»Wer ist er?«
»Unser Halt in der Welt.«
»Er hat sich um die – er hat sich um euch gekümmert?«
»Gekümmert?« Sie keuchte; vermutlich war es ein Lachen. »Gekümmert? Nein. Er war einfach nur da. Er hat sich fast nur hier aufgehalten, und wenn man ihn fragte, bekam man nur ausnahmsweise eine Antwort. Aber dass es ihn gab, dass er nicht floh und dass er nicht erkrankte, gab uns Mut. Ich glaube nicht, dass du das verstehen kannst.«
»Nein«, sagte Cyprian.
»Er stirbt«, sagte sie. »Ihr müsst ihm helfen.«
»Wie sollen wir das anstellen?«
»Ich weiß nicht. Ihr seid hier hereingekommen – Ihr habt sicher einen Weg gefunden, wie ihr wieder hinauskommt – Nehmt ihn mit. Wir können hier nichts für ihn tun. Und selbst wenn es nur darum geht, dass er stirbt, dann soll es nicht hier unten geschehen. Irgendwie hat er uns ein wenig Licht gespendet in all der Zeit. Wir wünschen, dass er das Licht noch einmal sieht, bevor er die Welt verlässt.«
»Das ist alles?«
»Das ist alles?«, echote Andrej und griff nach Cyprians Arm. »Und wie stellen Sie sich das vor?«
Cyprian gab den Blick aus den schönen Augen zurück. »Sie glauben hoffentlich nicht, dass wir nur deswegen gekommen sind.«
»Ich glaube, dass Gott eure Schritte gelenkt hat.«
»Wir können ihn nicht mit hinausnehmen.«
»Warum nicht?«
»Weil – weil –« Verlegen erkannte Cyprian, dass der erste Grund, der ihm einfiel, für die Frau und all die anderen Erkrankten ein Schlag ins Gesicht war. Er verstummte und wich ihrem Blick aus. Andrej neben ihm wand sich unbehaglich.
»Na gut«, sagte die Frau. »Dann dürftet ihr selbst auch nicht mehr zurückkehren.«
Er sah sie überrascht an. Sie zuckte mit den Schultern.»Wenn er die Welt draußen anstecken kann dadurch, dass ihr ihn mit hinausnehmt, könnt ihr es auch.«
»Wir sind nicht lange genug hier –«
»Was heißt lange? Was glaubst du, wie lange ich Seite an Seite mit einem Aussätzigen gelebt habe, bevor ich die Krankheit bekam?«
Cyprian räusperte sich. »Wie lange?«, fragte er schließlich, als sie nicht weitersprach.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich bin nie wissentlich auch nur von fern mit einem Aussätzigen in Kontakt gekommen. Eines Tages hatte ich ein Mal im Mundwinkel, das nicht mehr heilen wollte.«
Cyprian hörte das Geräusch, das Andrej machte; auch ihm war
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