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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dann schweigend in Bewegung gesetzt. Cyprian und Andrej waren der sanften Aufforderung gefolgt; sie ahnten, dass man ihnen sonst einfach auf die Pelle gerückt wäre, bis Körperkontakt entstanden wäre. Und bei aller Höflichkeit und dem Versuch, kaltes Blut zu bewahren – ein Hindernis zu sein, gegen das sich ein in gammelige Fetzen gehüllter, zerfallender Körper schmiegte, bis man dem Druck nachgab, besaß keine große Attraktivität.
    Der Weg führte um eine Gangbiegung und dann hinab. Das bisschen Licht, das er erhielt, stammte von Löchern in der Zwischendecke, durch die man den eingestürzten Dachstuhl sehen konnte. Cyprian war noch immer schleierhaft, was eine solche Zerstörung hatte verursachen können; es schien, als wären die Gebäude auf einem Fundament aus Sand errichtet gewesen und als wäre dieses Fundament dann einfach in sich zerfallen. Sie kletterten die Treppe hinunter, die jemand wenigstens so weit von Schutt und herabfallenden Trümmern befreit hatte, dass man sie benutzen konnte, ohne sich sofort den Hals zu brechen.
    »Das ist ein Weg, der öfter gegangen wird«, sagte Cyprian.
    Andrej brummte etwas. Er ging in gebückter Haltung und schielte ständig nach oben, obwohl das Treppengewölbe intakt war. Es war nicht so einfach, eine Treppe hinunterzuklettern, an deren Rändern Steine und Bruchstücke lagen und deren Beleuchtung ständig schwächer wurde, je weiter sie vorankamen, und gleichzeitig aufzupassen, dass man sich nicht den Kopf einrannte. Cyprian erwartete jeden Moment, seinen unfreiwilligen Begleiter nach einem Aufschrei die Treppe hinunterkugeln zu sehen, seine bunten Höflingsgewänder ein nach unten verschwindender Wirbel aus Farben und Seidenschimmer.
    »Vater sprach von einem Gewölbe«, murmelte Andrej.
    »Ein Versteck für das Buch?«
    »Er nahm an, dass es irgendwo in der Tiefe verborgen sein würde; irgendwo, wo man es in der Dunkelheit verstecken könnte; irgendwo, wo man im Notfall den Zugang für immer versperren würde können, wenn man es zum Einsturz brachte.«
    Cyprian dachte an die halb zusammengebrochenen Katakomben der heidnischen Kultstätte unter der Heiligenstädter Kirche. Das Muster passte. Er bewegte die Schultern, als er wie von einem kalten Hauch angeweht wurde. Plötzlich sah er sich, eine um viele Jahre jüngere Ausgabe seiner selbst, wie er mit einer Fackel durch die Gänge eilte, die Fabelwesen an den Gangwänden schnappten nach ihm und zuckten im vorbeihuschenden Licht, wie er eine zusammengerollte zierliche Gestalt aufhob und, so schnell es ging, vor den Eingang zu diesem unterirdischen Labyrinth brachte, bevor der Priester herausfand, wie weit Agnes tatsächlich vorgedrungen war; wie er sie am Fuß der Stufen niederlegte und sie aufzuwecken begann und hoffte, sie würde sich nicht daran erinnern, wo sie gewesen war.
    »Es ist dort unten«, sagte Andrej.
    Cyprian schüttelte den Kopf, aber er war nicht überzeugt. Er hatte sich nie für jemanden gehalten, der besonders empfänglich für Schwingungen war, doch hier – hier vibrierte die Luft. Etwas sagte ihm, dass es nicht so einfach sein konnte, dass das Ziel von vierhundert Jahren Verschwörung und einer Suche, der Päpste zum Opfer gefallen waren, nicht einfach in den Ruinen eines zerstörten Klosters liegen konnte. Und doch –
    »Wir werden sterben«, sagte Andrej.
    Sie hatten den Fuß der Treppe erreicht. Das Tageslichtreichte nicht bis hierher, doch voraus schien das gelbe Flackern einer Fackel. Cyprian schnupperte – der übliche Gestank war zu bemerken, aber bei weitem nicht stark genug. Die Fackel war eigens für sie entzündet worden. Er blieb stehen. Der Eindruck, den er auch gehabt hatte, als er zum ersten Mal vor dem Labyrinth unterhalb der Heiligenstädter Kirche gestanden hatte, war so stark, dass er ihn lähmte. Was von den Wänden im Fackellicht zu sehen war, schien roh behauen und aus jenem Gemisch aus hart zusammengebackenem Lehm, Geröll und Gestein zu bestehen, das den Untergrund des Landstrichs bildete. Es war kein zuverlässiges Material, um ein Gewölbe hineinzugraben. Die Ahnung, dass Millionen Tonnen von Schutt darauf warteten, bei der geringsten Erschütterung herunterzukommen und sie zu zerquetschen, war stärker als jemals zuvor im Ruinenfeld des Klosters. Cyprians Nackenhaare stellten sich auf.
    »Gehen Sie weiter«, flüsterte Andrej und drängte sich von hinten an ihn heran, als ihre Begleiter aufrückten. Cyprian hörte die Panik in seiner Stimme. Er hoffte,

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